Doy gracias a Helmut Presser, científico e investigador alemán de las orquídeas europeas por el envío de estas fotos, la rarísima orquídea fantasma (Epipogium aphyllum).
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Floración: De Junio a Septiembre. Puede pasar muchos años sin florecer.
En España suele tardar de 10 a 15 años y puede florecer por causa del tiempo, bajo tierra.
En España suele tardar de 10 a 15 años y puede florecer por causa del tiempo, bajo tierra.
Hábitat: En las zonas sombrías de los bosques densos de hayedos y de coníferas, sobre los 1700m. de altidud.
Distribución: Euroasiática.
Distribución: Euroasiática.
Existe otra, llamada: E.roseum. Se encuentra en las regiones tropicales de África.
WEB DE INTERÉS
Ha escrito diversos artículos en Journal Europäische Orchideen y en Berichte aus den Arbeitskreisen Heimische Orchideen.
Este es su estudio sobre las orquídeas Epipactis de España.
Zur Kenntnis der Gattung Epipactis in Spanien
Helmut Presser
Keywords
Orchidaceae; Epipactis: Epipactis bugacensis, Epipactis campeadorii, Epipactis cardina, Epipactis confusa, Epipactis distans, Epipactis fageticola, Epipactis hispanica, Epipactis kleinii, Epipactis leptochila, Epipactis maestrazgona, Epipactis molochina, Epipactis parviflora, Epipactis phyllanthes, Epipactis provincialis, Epipactis rhodanensis, Epipactis subclausa. - Flora von Spanien, Taxonomie.
Summary
The article scrutinises the presently used taxonomy for some Epipactis species in Spain. In this context the more recent publications of Kreutz (2004), Delforge (2005) and Baumann, Künkele & Lorenz (2006) are compared and the different ways of applying the terms are discussed.
Some lesser known and recently described taxa of Epipactis are introduced and assessed for to their independence and relationship:
Epipactis hispanica is looked upon as synonymous with Epipactis bugacensis, in the case of Epipactis campeadori the similarity is presumed.
According to the author, Epipactis fageticola is identical with Epipactis phyllanthes (confusa) and at best deserves the position of a subspecies.
Epipactis molochina and Epipactis maestrazgona, described last, are synonymous with Epipactis distans and Epipactis leptochila. The latter should be newly included to the list of species found on the Spanish Peninsula. The manner in which the last two created species are described is rejected; many assertions trying to correct the facts are either put into proper perspective or disproved.
Zusammenfassung
Der Artikel nimmt die derzeit verwendete Nomenklatur bezüglich einiger Epipactis-Arten in Spanien kritisch unter die Lupe. Die neueren Werke von Kreutz (2004), Delforge (2005) und Baumann, Künkele & Lorenz (2006) werden diesbezüglich verglichen, die unterschiedliche Handhabung des Artbegriffs wird diskutiert.
Einige weniger bekannte und neu beschriebene Epipactis-Sippen werden vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eigenständigkeit bzw. ihrer Zugehörigkeit beurteilt:
Epipactis hispanica wird als Synonym von Epipactis bugacensis angesehen, für Epipactis campeadorii wird dies vermutet.
Epipactis fageticola ist nach Meinung des Autors identisch mit Epipactis phyllanthes (confusa) und verdient bestenfalls den Rang einer Unterart.
Die als letztes beschriebenen Taxa Epipactis molochina und Epipactis maestrazgona sind Synonyme für Epipactis distans und Epipactis leptochila. Letztere sollte neu in die Artenliste der spanischen Halbinsel aufgenommen werden. Die Praktiken bei der Beschreibung der beiden zuletzt kreierten Arten werden angeprangert, zahlreiche Behauptungen werden zur Richtigstellung der Sachverhalte relativiert oder widerlegt.
1. Einleitung
In den letzten 10 Jahren bereiste ich die Iberische Halbinsel in der Sommerzeit mehrfach, um die Gattung Epipactis hier genauer zu studieren. Gerade in diesem Zeitraum wurde verstärkt über diese schwierige Gattung in diesem Gebiet publiziert, was oft auch die Beschreibung neuer Taxa beinhaltete. Sie wurden mit einer Ausnahme alle im Artrang beschrieben. Auch die Ausnahme wurde kurz nach der Beschreibung vom Varietätsrang in den Artrang erhoben.
Die Reisen dienten einerseits dazu, die Sippen kennenzulernen, andererseits zu entscheiden, ob der Artrang gerechtfertigt sei. Letzteres erschien mir nämlich nach den Veröffentlichungen häufig zweifelhaft, besonders, wenn ich die Sippe vorher schon am Standort gesehen und sie problemlos eingeordnet hatte.
2. Taxonomie
Der hier verwendete Artbegriff richtet sich wie in früheren Veröffentlichungen (Presser 2004, Hertel & Presser 2006 und Presser 2007) im wesentlichen nach Sundermann (1980: 27 – 30). Neben anderen Autoren vertritt auch Paulus (2006) diese Sichtweise und stellt dies in seiner Homepage sehr anschaulich dar. Prinzipiell benutzen Jonsell, Pedersen und Kreutz dieselben Einteilungen (in Kreutz 2005: 97 – 98), sie legen sie aber teilweise sehr unterschiedlich aus. So kommen natürlich ganz verschiedene Kombinationen zustande. Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, als versuchten manche Autoren, künstlich neue Kombinationen zu erschaffen, um ihren eigenen Namen dahinter zu setzen.
Sowohl in der Zoologie als auch in der Botanik werden allgemein zwei Sippen als getrennte Arten (Spezies) betrachtet, wenn die Nachkommen aus einer Kreuzung zwischen beiden normalerweise nicht fruchtbar sind. Als Beispiel könnten die nahe miteinander verwandten Arten Orchis mascula und Orchis pallens gelten, die sich häufig kreuzen, deren Bastarde in der Regel jedoch unfruchtbar sind.
Als Unterart, (Subspezies, subsp.) wird dann eine morphologisch eindeutig von der Nominatform zu unterscheidende Sippe bezeichnet, die durch eine Barriere getrennt ist. In der Regel wird eine geografische Entfernung als Barriere angenommen (Beispiel: Orchis mascula subsp. mascula und subsp. speciosa), es kann jedoch auch eine geologische, ökologische oder zeitliche Barriere sein. Beispiele wären hier Orchis coriophora subsp. coriophora und Orchis coriophora subsp. martrinii, sowie subsp. fragrans (geologisch oder stellenweise auch ökologisch) oder Orchis ustulata subsp. ustulata und subsp. aestivalis (zeitlich). In Begegnungszonen sind Übergangsformen durchaus möglich, da es sich um eine einzige Art handelt. Im Beispiel von Orchis mascula subsp. speciosa (signifera) existiert eine sehr breite Überlappungszone mit den verschiedensten Zwischenformen. Bei Orchis ustulata subsp. aestivalis gibt es keine Zwischenformen, wenn getrennte Biotope besiedelt werden oder wenn die zeitliche Trennung so ausgeprägt ist, dass sich die Blütezeiten nicht überlappen. Dies ist normalerweise im Flachland der Fall. Zwischenformen treten hier also nur in ganz bestimmten, isolierten Gebieten auf. Dactylorhiza ochroleuca zum Beispiel kann aber nicht als Unterart geführt werden, weil sie auch bei einem Vorkommen neben Dactylorhiza incarnata nur wenige Bastarde, aber keine zahlreichen Übergangsformen zu dieser bildet.
Als Varietät (var.) gelten Einzelexemplare, die hier und da in den Populationen der Nominatform (selten einmal in reinen Beständen) vorkommen und ein gemeinsames Merkmal haben, das sie von der Nominatform unterscheidet. Die verschiedenen Varietäten der Ophrys apifera wären hier ein gutes Beispiel. Orchis ustulata subsp. aestivalis beispielsweise kann dagegen nicht als Varietät geführt werden, weil die allermeisten Biotope mit der Nominatform nicht für diese Sippe geeignet sind. Eine Varietät unterscheidet sich nicht durch andere Standortansprüche von der Nominatform.
Delforge benutzt die Rangstufe der Unterart nicht. Statt dessen ordnet er die einzelnen Arten in verschiedene Gruppen ein. Dies ist zwar praktikabel, eine Gruppe ist allerdings keine gültige Rangstufe. Die Zuordnung erfolgt zudem teilweise recht willkürlich und ist manchmal kaum nachzuvollziehen. Nahe verwandte, zum Teil auch kaum unterscheidbare Sippen finden sich häufig in völlig verschiedenen Gruppen wieder (vergleiche Hertel & Presser 2006: 507). Des weiteren sieht er sich gezwungen, alle Unterarten umzukombinieren und je nach Geschmack den übrig bleibenden Rangstufen unterzuordnen, was nicht annähernd befriedigend zu lösen ist. Neuerdings (2006: 258 - 264) benutzt er auch die Rangstufe „forma (f.)“, was ihn in die Lage versetzt, wieder neue Kombinationen zu erschaffen und letztendlich doch wieder genauer zu untergliedern.
3. Die Arten
3.1 Epipactis cardina Benito Ayuso & Hermosilla
Die recht leicht zu erkennende Sippe zeichnet sich meist durch einen tremolsii-ähnlichen Habitus aus, die gewellten Laubblätter können aber verhältnismäßig lang (bis ca. 10 cm) werden. Sie sind, wie der Rest der Pflanze, häufig auch noch zur Blütezeit oberseits, besonders aber unterseits mehr oder weniger violett überlaufen. Selten findet sich hier gar kein Violett. In Extremfällen verschwindet die grüne Farbe sogar unter dem roten Farbstoff (Anthocyane). Diese extremen Ausprägungen sind nicht einmal besonders selten. Insgesamt erscheinen die Pflanzen sogar stärker violett getönt als Epipactis purpurata. Die Blüten ähneln wieder denen von Epipactis tremolsii, die einzelnen Blütenblätter sind jedoch häufig weniger breit (Sepalen bis 5mm statt bis 6,5 mm breit). Zudem erscheinen sie bei vielen Exemplaren durch den violetten Farbstoff dunkler. Ich fand auch ein chlorophyllfreies (chlorotisches) Exemplar, das analog zur Epipactis purpurata var. rosea in allen Teilen rein rosa erschienen war.
Die doch sehr auffällige Sippe wurde erst 1998 beschrieben und kommt offenbar nur in Bergmassiven des mittleren und südlichen Ostspaniens vor (bisher bekannt aus den Provinzen Teruel, Cuenca, Alicante, Jaen, Murcia, Granada, etwa ab 1400 m ü.M.). In manchen Gebirgen (z.B. E Teruel) ist sie nicht allzu selten, sie fehlt aber über weite Strecken trotz scheinbar passender Biotope. Häufig findet man sie unter Waldkiefern auf trockenen, karbonatischen Böden, gelegentlich auch in Pappel-Anpflanzungen. Sie bevorzugt lichten Schatten, kommt aber in hohen Lagen (um 2000 m ü.M.) auch in der prallen Sonne vor. Dort meidet sie aber den Südhang. Ihre Blütezeit beginnt normalerweise erst im Juli. Aber auch in frühen, trockenen Jahren wie 2006 kann man sie vereinzelt in hohen Lagen Anfang August noch aufblühend finden. Direkt daneben können dann auch bereits verblühte Exemplare stehen. Epipactis kleinii ist dann kaum noch in Blüte anzutreffen, nur Epipactis leptochila steht an kühlen Stellen eventuell in Hochblüte.
Delforge (2005: 54) ordnet Epipactis cardina in die „Gruppe von E. atrorubens“ ein. Ihr Lippenkallus ist allerdings nicht gegliedert, auch die Behaarung von Stängel und Fruchtknoten ist deutlich geringer. Meines Erachtens ist sie weniger mit Epipactis atrorubens, viel mehr nahe mit Epipactis tremolsii verwandt.
In den Bestimmungsbüchern wird sie allgemein im Artrang geführt.
3.2 Epipactis bugacensis Robatsch
Die noch sehr junge Geschichte der spanischen Epipactis bugacensis liest sich sehr verworren:
1998 beschreiben (S. 108) die beiden Spanier J. B. Ayuso und C. E. Hermosilla die Sippe im Artrang als Epipactis hispanica var. hispanica.
Bereits 2001 führt Delforge die Sippe (S. 92) in der 2. Auflage seines Orchideenführers als Synonym (unter dem Namen E. hispanica) unter der von ihm beschriebenen Epipactis campeadorii.
Kurz danach wird sie von ihm in die Synonymie der 1994 beschriebenen Epipactis rhodanensis gestellt (Delforge 2001 b: 54), eine Einschätzung, die durchaus nachvollziehbar ist. Dies behält er auch in seinem aktuellen Führer bei (Delforge 2005: 71). Epipactis bugacensis aus dem Osten führt er jedoch als eigene Art.
Inzwischen hatte Wucherpfennig (2003: 48) allerdings schon veröffentlicht, dass die aus Ungarn beschriebene Epipactis bugacensis und die aus Frankreich (vom selben Autor!) beschriebene Epipactis rhodanensis kaum Unterschiede aufweisen. Letztere wurde in dieser Arbeit deshalb folgerichtig zur geografischen Unterart umkombiniert. Die fragliche Sippe heißt nun also Epipactis bugacensis subsp. rhodanensis. Delforge ignoriert diese Erkenntnisse, die Rangstufe der Unterart verwendet er sowieso nicht.
Nun ist es allerdings so, dass die Kenntnis bezüglich der Verbreitung der beiden Unterarten sprunghaft zunimmt. Inzwischen wurden Funde (immer unter dem im Westen gebräuchlicheren Namen Epipactis rhodanensis) aus Norditalien, Ost- und Westösterreich, sowie aus Südostdeutschland gemeldet. Die scheinbaren Lücken zwischen beiden Unterarten beginnen sich zu schließen. Mit der Zunahme der Kenntnisse über die Verbreitung nimmt auch das Wissen über die Variabilität zu. Die geringen Größenunterschiede der Blüten (Länge der Sepalen), die Wucherpfennig in nur zwei Populationen (Frankreich und Ungarn) fand, sind nun nach meinen Untersuchungen überhaupt nicht mehr aussagekräftig. Allein in Spanien variiert die Sippe je nach Meereshöhe, Beschattung und Wasserversorgung enorm, nicht nur im Bereich der Blüten. Die auffälligste Variation betrifft den Habitus: Die Pflanzen können als langblättrig bis extrem kurzblättrig bezeichnet werden, bei manchen Pflanzen sind die mittleren Laubblätter bis fünfmal so lang wie bei anderen in der Nähe stehenden. Solch langes Blattwerk sah ich aber bisher nur in relativ dunklen, luft- und teils bodenfeuchten Biotopen Spaniens, die vom Menschen gelegentlich zu Bewässerungszwecken überschwemmt werden. Die Lippe ist manchmal rein weiß, häufig leicht rosa angehaucht, seltener deutlich rosa mit grünlicher Epichilspitze. Die Blütenmaße variieren zwar bei einzelnen Pflanzen und in verschiedenen Biotopen, die Blüte ist aber nie als groß zu bezeichnen. Häufig hängen sie und öffnen sich bestenfalls mehr oder weniger glockig. Es scheint auch so, als ob die stets gut entwickelte Klebdrüse im gesamten Verbreitungsgebiet unwirksam ist und die Pollinien schon bei Blühbeginn zerfallen. Auch Säulen- und Lippenform scheinen kaum zu variieren.
Als logische Schlussfolgerung müssten daher auch die spanischen und die französischen Pflanzen als Epipactis bugacensis bezeichnet werden. Eine Abtrennung als Unterart ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Die Einstufung einer Sippe bleibt in diesem Zusammenhang für meine Begriffe noch ungeklärt: Epipactis campeadorii P. Delforge wurde 1995 (S. 91) aus Nordspanien beschrieben und kommt in den selben Biotoptypen wie Epipactis bugacensis vor, sie steht aber häufig heller und trockener. Dies zeigt sich natürlich im Habitus. Insgesamt wirken die Pflanzen etwas robuster. Anfangs vereinigte Delforge ja beide Sippen (siehe oben) unter dem Namen Epipactis campeadorii. Nach den Fotos (ich habe die Sippe bisher noch nicht in Blüte gesehen) sind die Unterschiede jedoch absolut marginal. In den relevanten Bereichen zeigen die Blüten eine hohe Übereinstimmung.
In seinem aktuellen Führer ordnet Delforge (2005: 71 und 87) die beiden Sippen sogar in unterschiedliche Gruppen ein, „Epipactis rhodanensis“ in die „Groupe d’Epipactis helleborine“ und „Epipactis campeadorii“ in die „Groupe d’Epipactis leptochila“. So wird allerdings eine nahe Verwandtschaft oder gar Identität völlig verschleiert. Man muss schon eine besondere Form der „Mikrotaxonomie“ betreiben, um zu derartigen Einteilungen zu kommen. Wie schon oben erwähnt, sah er ja beide Sippen in Spanien im Jahr 2001 (S.92) noch als identisch an.
Kreutz (2004: 60) hingegen sieht auch jetzt noch die beiden Taxa Epipactis campeadorii und Epipactis hispanica in seinem Kompendium als identisch an. Er führt sie aber unter dem Namen Epipactis campeadorii, da er offenbar eine Identität mit Epipactis bugacensis bisher nicht sieht.
Die Spanier J. B. Ayuso und C. E. Hermosilla, wie auch J. A. A. Sáenz und J. A. A. Urarte ( Ayuso et al. 1999: 28) führen E. campeadorii als Varietät von E. hispanica, ordnen sie also ebenfalls ein und derselben Art unter: Epipactis hispanica var. viridis.
Baumann et al. (2006: 75) listen beide Namen kommentarlos unter Epipactis bugacensis subsp. rhodanensis auf. Es bleibt unklar, wie sie die Taxa hinsichtlich der Nomenklatur beurteilen.
3.3 Epipactis kleinii M.B. Crispo, M.R. Lowe & Piera
Die Sippe wurde erst 1971 von dem deutschen Ehepaar A. & C. Nieschalk als Unterart von Epipactis atrorubens, nämlich als subsp. parviflora beschrieben. Der österreichische Botaniker E. Klein erhob sie 1979 in den Artrang. Der von ihm vergebene Name Epipactis parviflora ist allerdings nach den Nomenklaturregeln illegal, deshalb wurde 2001 ein neuer Name zu Ehren des Herrn Klein vergeben. Kreutz (2004: 59) führt sie in seinem Kompendium wieder im Unterartrang als Epipactis atrorubens subsp. parviflora. Baumann et al. (2006: 74) schließen sich ihm an.
Meines Erachtens sind die Unterschiede von Epipactis kleinii zu Epipactis atrorubens aber durchaus groß genug für den Artrang: Der Habitus ist viel zierlicher, die Pflanze ist häufig deutlich kräftiger violett überlaufen und noch stärker behaart als Epipactis atrorubens, die Blüten sind kleiner und schwächer gefärbt, das Hypochil ist kugeliger, das Epichil meist gerade vorgestreckt, der Kallus meist ungegliedert. Zudem sind mir keine Übergänge, nicht einmal Bastarde, zwischen beiden Sippen bekannt, obwohl auch Epipactis atrorubens vereinzelt noch im Verbreitungsgebiet von Epipactis parviflora vorkommt, selten sogar in denselben Biotopen.
Vielmehr erinnert die Art an Epipactis subclausa aus Griechenland. Man kann völlig identische Pflanzen in beiden Gebieten finden, in der Regel ist aber das Hypochil von Epipactis subclausa etwas weniger kugelig und das Epichil noch etwas kleiner. Hier sollte man darüber nachdenken, beide Sippen als geographische Unterarten zu führen.
Verbreitet ist Epipactis kleinii in den Gebirgen Ost- und Mittelspaniens bis nach Nordspanien (Burgos) ab einer Höhe von 700 m ü.M. bis ca. 2000 m ü.M.. Frühere Meldungen aus dem französischen Bereich der Pyrenées Orientales wurden lange nicht mehr bestätigt. In der Serra de Cardò N Tortosa kann man die Art in niederen Lagen schon Ende Mai in Blüte neben noch austreibenden Exemplaren sehen. In späten Jahren blüht sie noch Anfang August ab 1700 m ü.M. E Teruel in Einzelexemplaren. In frühen Jahren ist sie dort aber schon Ende Juli auch auf 2000 m ü.M. verblüht.
3.4 Epipactis phyllanthes G.E. Smith
Die variable Sippe wurde bereits 1852 aus England beschrieben. Seitdem wurde eine ganze Anzahl von Populationen mit geringfügigen Abweichungen als neue Taxa beschrieben und teils wieder verworfen. Beispielsweise wurde von der Westküste Großbritanniens eine „Epipactis cambrensis“ beschrieben, die durch einen gedrungeren Wuchs mit weniger Blüten auffällt. Dies ist jedoch auf die mageren, unbeschatteten Biotope in Dünengebieten zurückzuführen.
Wie die überwiegend mitteleuropäische Epipactis leptochila ist auch die hauptsächlich atlantisch verbreitete Epipactis phyllanthes autogam. Theoretisch kann sich hierdurch fast jegliche Mutation fortpflanzen. Auf diese Weise entstehen leicht abweichende Pflanzen, die bei Fortpflanzungserfolg jedoch in der Population durch die Autogamie meist sehr einheitlich erscheinen. Die Bestäubung erfolgt in der Regel nicht in der Knospe, sondern erst im Verlauf der Anthese, sodass immer auch Einkreuzungen möglich sind. So entstanden im Lauf der Zeit die unterschiedlichen Ausprägungen, aber auch Übergangsformen zwischen den extremeren Formen. Will man nun „Mikrotaxonomie“ betreiben, könnte man jede geringfügig abweichende Form als eigene Art oder Unterart beschreiben, da sie sich in der Regel durch getrennte Biotope nicht mehr mit den Ausgangsformen kreuzen. Wie bereits erwähnt, ist dies teilweise auch geschehen, besonders in Großbritannien, wo die Art schon lange bekannt ist. Die meisten Orchideenkenner lehnen aber eine Benennung unterschiedlicher Ausprägungen ab, mit der Begründung, dass die Unterschiede minimal und nicht durchgängig vorhanden sind. Dieser Einschätzung schließe ich mich im Prinzip an, es ist jedoch nachvollziehbar, dass die extreme, leicht zu erkennende Variante „degenera“ mit ihrer wenig differenzierten Lippe (Atavismus) als Varietät bestehen bleibt. Ebenso ist der Unterschied zwischen Epipactis phyllanthes mit etwas verlängerten, nach der Blüte noch länger grün bleibenden Sepalen und Petalen und die zierlichere „confusa“ mit häufig kürzerem, schnell verwelkendem Perigon relativ deutlich sichtbar. Deshalb kann "confusa" durchaus als Varietät angesehen werden. Der Abtrennung einer südwestfranzösischen „var. olarionensis“ wegen der noch vorhandenen Rostelldrüse oder einer „var. pendula“ mit hängenden Blüten kann ich aber nicht folgen. Beispielsweise ist eine funktionslose Rostelldrüse auch in Dänemark zu finden (vgl. Presser 2000: 259, Abb. d). Delforge (2005: 115) führt neben den drei letztgenannten Varietäten sogar noch eine „var. vectensis“ als Zwischenform auf.
In Spanien ist Epipactis phyllanthes nicht selten. Man findet sie vor allem an Bach- und Flussläufen des Hochlandes zwischen 600 und 1000 m ü.M., seltener auch an der Atlantikküste. Sie scheint über die ganze Iberische Halbinsel verbreitet zu sein. Wenige Meldungen kommen aus Andalusien, Nordportugal und Nordwestspanien. Eine Vielzahl von Vorkommen gibt es aber zwischen Santander im Norden und Valencia im Osten. Die meisten Fundorte liegen in Bach- und Flusstälern auf leicht feuchtem Untergrund unter Weichgehölzen. Meist handelt es sich hierbei um Pappel-Anpflanzungen, die sporadisch beweidet werden. Die Sippe ist hier häufig vergesellschaftet mit Epipactis bugacensis und / oder Cephalanthera damasonium, seltener auch mit weiteren Epipactis- Arten, Ophrys apifera, Dactylorhiza elata oder Anacamptis pyramidalis. Daneben existieren auch höher gelegene Biotope an Bachrändern in Buchenwäldern, die einen typisch mitteleuropäischen Eindruck machen.
Viele Individuen sind habituell als kräftig zu bezeichnen, besonders aber Pflanzen aus dunklen Altbuchenbeständen zeigen einen zierlichen Habitus und gleichen so auf frappierende Weise der von Young (1953) abgetrennten Epipactis confusa. Dieses Taxon soll sich durch eine andere Blattrandstruktur (Anmerkungen hierzu im nächsten Kapitel) und ein schnell welkendes Perigon auszeichnen. Meist sind die Pflanzen auch deutlich zierlicher, Sepalen und Petalen etwas kürzer. A. Gévaudan sieht nach eigenen Angaben (2006 in litt.) ebenfalls keine Unterschiede. Auf Grund einer „Verbreitungslücke“ von Norddeutschland bis zur Schweiz geht er jedoch von zwei verschiedenen Arten (!) aus. Eine (im Übrigen kaum nachweisbare) Verbreitungslücke kann meines Erachtens allerdings niemals ein Kriterium sein, eine Art abzutrennen (Anmerkungen hierzu im nächsten Kapitel). Es ist auch ziemlich wahrscheinlich, dass sich die Lücke analog zu Epipactis bugacensis weiter schließen wird, wenn im Sommer in entsprechenden Biotopen ernsthaft nachgeforscht wird. Im Gegensatz zu Epipactis bugacensis sind die Pflanzen aber meist viel unscheinbarer. Die Lippe ist bei den spanischen Pflanzen nach meinem Wissen immer deutlich gegliedert. Häufig welkt das gesamte Perigon nach kurzer Zeit ab. An manchen Stellen (z.B. N Burgos) findet man allerdings im August auch noch verblühte Pflanzen mit intaktem Perigon (aber verwelkter Lippe), die zwischen solchen mit verwelkten Sepalen und Petalen stehen. Jeglicher Übergang scheint möglich. Dies ist auch im Norden des Verbreitungsgebietes von Epipactis phyllanthes zu beobachten, was die dänischen Orchideenspezialisten Faurholdt et al. (1998) dazu bewogen hat, die beiden Taxa phyllanthes und confusa wieder zusammen zu legen. Farbunterschiede der Lippe (vor allem des Hypochils) zwischen einzelnen Populationen existieren durchaus: Meist ist das Hypochil innen grün, besonders weiter im Norden kann es aber auch hellbraun gefärbt sein, was dann meist mit einer Rosafärbung des Epichils einhergeht. In Bestimmungsbüchern suggeriert häufig die Auswahl entsprechender Fotos fälschlich einen Unterschied zwischen phyllanthes und confusa.
Delforge (2005: 107) folgt der Zusammenlegung zu einer einzigen Art nicht, Kreutz (2004: 66) führt confusa im Unterartrang, Baumann et. al. (2006: 93) als Varietät.
Meiner Ansicht nach ist die Sippe als Art eindeutig zu hoch bewertet. Über eine Abtrennung als Unterart (analog zu Epipactis leptochila subsp. neglecta) könnte man nach dem oben erläuterten Artbegriff durchaus nachdenken. Man wird aber eine ganze Reihe von Pflanzen bzw. Populationen nicht eindeutig zuordnen können. Der Varietätsrang für die zierlichen Pflanzen mit welkendem, kurzem Perigon könnte ebenfalls in Betracht gezogen werden.
Zu allem Überfluss ordnet Delforge (2005) die fraglichen Taxa wieder in verschiedene Gruppen ein und verschleiert so eine nahe Verwandtschaft oder gar Identität: Epipactis phyllanthes und Epipactis fageticola sind in der „groupe d’Epipactis phyllanthes“ zu finden, Epipactis confusa aber in der „groupe d’Epipactis albensis“.
Die ersten Meldungen von spanischen Pflanzen dieser Ausprägung wurden erst 1998 veröffentlicht, als C. Hermosilla (Hermosilla & Sabando 1998) diese Sippe als Varietät von Epipactis phyllanthes beschrieb. Von Devillers & Devillers-Terschuren wurde sie umgehend (1999: 302) in den Artrang erhoben und danach aus der Schweiz dann noch einmal unter dem Namen Epipactis stellifera beschrieben (Di Antonio & Veya 2001). Die zuletzt genannten Autoren nahmen an, die Sippe sei endemisch in der Schweiz. Dieser Einschätzung wird aber offenbar bisher von keinem Autor gefolgt. Lediglich Delforge (2001a: ) bildete sie vorübergehend als eigene Art in seinem Führer ab, 2005 führt er sie aber schon als Synonym unter „Epipactis fageticola“.
Hermosilla führt nur geringfügige Unterschiede auf (Hermosilla & Sabando 1998: 130), die auch wohl größtenteils auf unterschiedliche Wuchsorte zurückzuführen sind: Pflanzen etwas niedriger, Blüten weniger hängend, etwas geöffnet und die Laubblätter gebogener und weiter voneinander entfernt. Pflanzen mit schnell welkendem Perigon trennt er nicht von solchen mit lange frisch bleibendem ab. Dieses Kriterium ist auch in den Populationen meist nicht durchgehend. Ich habe ein lange frisch bleibendes Perigon in Spanien bisher auch nur unter Pappeln und Weiden gefunden. Hermosilla (2000: 191) spricht ebenfalls von Pflanzen der Pappelplantagen, die solchen aus Buchenbeständen exakt gleichen und schließt völlig richtig daraus, dass es sich nur um eine einzige Spezies handeln kann. Der Umkombinierung zur Art von Devillers & Devillers-Terschuren widerspricht er ausdrücklich.
In der mehr als ausführlichen Arbeit (65 Seiten!) von Gévaudan et al. (2001: 52 – 53) wird indes der Eindruck erweckt, Epipactis phyllanthes käme im Süden des Verbreitungsgebiets (Portugal, Spanien und Frankreich) ausschließlich am Atlantik vor, und alle übrigen Meldungen bezögen sich auf „Epipactis fageticola“. Dem widersprechen jedoch schon oben genannte Vorkommen von Pflanzen mit lange frisch bleibenden Sepalen und Petalen weit von der Küste entfernt. Die Unterscheidungsmerkmale zu ihrer Auffassung von Epipactis phyllanthes, die sie anführen, sind zudem absolut marginal und nicht einmal auf ihren eigenen (recht zahlreichen und guten) Fotos zu erkennen.
Die Autoren geben für fageticola eine relativ frühe Blütezeit an, was für die meisten Gebiete zutreffen dürfte: „...fast zur selben Zeit wie Cephalanthera rubra oder Epipactis parviflora“. Interessanterweise blühen die Pflanzen gerade am Locus classicus von Epipactis phyllanthes var. fageticola, einer kühlen Bachschlucht im Buchenwald, bis weit in den August hinein, wie dies auch im nördlichen Verbreitungsgebiet festzustellen ist. Ein Blütezeitunterschied zwischen fageticola / confusa und phyllanthes in vergleichbaren Biotopen besteht nicht.
Abschließend bleibt also festzustellen, dass stämmige Pflanzen von Epipactis phyllanthes vor allem in Spanien und im Einflussbereich des Atlantiks über die britischen Inseln bis hinein nach NW-Deutschland vorkommen. Im Landesinneren von Frankreich und in der Schweiz überwiegen eindeutig wie in NO-Deutschland die zierlichen, grazilen Pflanzen. Ein spät welkendes Perigon ist in Spanien (zumindest N Burgos und an der Atlantikküste), nach Norden bis hinein nach Nordwest-Deutschland (Schleswig-Holstein) und Dänemark (bis Schweden?) und besonders auf den britischen Inseln zu finden. Eine Aufspaltung in verschiedene Arten der variablen Sippe bleibt unverständlich, einer Aufgliederung in verschiedene Varietäten ist nicht unbedingt zu widersprechen.
3.5 Epipactis leptochila (Godfery) Godfery
Im Jahr 2001 wurde ein Vorkommen von Epipactis provincialis aus dem mittleren Ostspanien gemeldet (Ayuso & Tabuenca 2001: 73). Die beiden spanischen Autoren veröffentlichten in dieser Arbeit zwei Fotos (dgl.: 70), die der aus der Provence bekannten Sippe auf den ersten Blick stark ähnelten. Allerdings schienen sowohl Laubblätter als auch Epichil etwas lang für dieses Epipactis leptochila nahestehende Taxon. Auch der Übergang zwischen Epichil und Hypochil erschien etwas zu stark gegliedert. Epipactis provincialis im Terra typica zeichnet sich tatsächlich durch eine relativ ungegliederte Lippe aus, die in extremer Ausprägung (eher selten) fast rund erscheint. Delforge (2005: 89) bildet ein solch extremes Exemplar ab. Bournérias (1998: 349) zeigt ein Foto einer deutlich weniger extrem ausgeprägten Blüte.
Die Intention von Delforge und Gévaudan ist es nun, die spanische Sippe gegen Epipactis provincialis abzugrenzen. In einer ausführlichen Arbeit (Delforge & Gévaudan 2004) gelingt dies auch relativ überzeugend. In der Tat sind die beiden nahe verwandten Sippen recht variabel. Extremexemplare ähneln sich sehr, scheinen jedoch nicht identisch zu sein.
Ein durchaus nachzuvollziehendes Argument ist die Phänologie: Die Autoren geben an, sowohl bei den spanischen als auch bei den französischen Pflanzen die früh blühende Epipactis tremolsii gefunden zu haben. Während die spanischen Pflanzen nach diesem Taxon blühen, beginnt die Blütezeit von Epipactis provincialis einige Zeit vor dieser Sippe. Auch Cephalanthera rubra fanden sie nahe den entsprechenden Pflanzen in beiden Gebieten. In Frankreich blüht das Rote Waldvögelein mit Epipactis provincialis etwa gleichzeitig auf, während es in Spanien schon verblüht ist, deutlich bevor die fraglichen Epipactis-Pflanzen aufblühen. Für französische Fundorte kann ich diese Beobachtungen bestätigen, an den besuchten Wuchsorten fand ich die beiden Arten zwar nicht, die Angaben sind aber durchaus glaubhaft.
Die Sippe wird in der Folge von den Autoren als Epipactis maestrazgona im Artrang (!) neu beschrieben.
Vom 30. 07. bis zum 02. 08. 2006 besuchte ich das Bergland zwischen Morella und Teruel um die „neue" Art zum ersten Mal in Augenschein zu nehmen. Ich hatte sie zuvor noch nicht gesehen. Zwar fand ich nur wenige blühende Exemplare (die meisten waren von Steinböcken verbissen, einige vertrocknet, wenige verblüht), die Sippe konnte aber trotzdem beurteilt werden. Das Ergebnis war enttäuschend, konnte ich doch nach der langen Reise keine wirklichen Unterschiede zu Epipactis leptochila feststellen. Für spätere Vergleiche mit anderen Sippen wurden aber, wie üblich, die Pflanzen reichlich fotografiert, teilweise bis zum Maßstab 3:1 (Säule, Stängel, Blütenstielchen).
Die Pflanzen standen, wie zu erwarten war, an den kühlsten Stellen im Gebiet. Es sind Bereiche, an denen sich Feuchtigkeit und Luftfeuchtigkeit in dieser sommerwarmen Gegend länger halten können: Am Grund einer Schlucht, in einer Mulde (Kaltluftsee), an einem Nordhang, der bei stärkerem Regen durch ablaufendes Wasser überspült wird (mit Ablagerung von Feinerde) und nördlich einer Felswand. An solchen Stellen hält sich auch der in dieser Gegend in vielen Wintern reichlich fallende Schnee über längere Zeit. Alle Fundorte waren großflächig von der Waldkiefer Pinus sylvestris überwachsen, die Wuchsorte liegen halbschattig bis schattig. Je nach Sonneneinstrahlung variierte der Habitus, was zumindest in diesem Jahr gut zu beobachten war. Andere Epipactis-Arten (zum Beispiel Epipactis cardina, Epipactis distans oder Epipactis kleinii) standen stets in der Nähe.
In der Arbeit von Delforge & Gévaudan (2004: 61) wird die spanische Sippe mittels einer knappen Tabelle nebenbei auch gegen Epipactis leptochila abgegrenzt. An dieser Stelle muss die Kritik ansetzen. Die beiden Autoren greifen sich eine Ausprägung der äußerst variablen Epipactis leptochila heraus und verallgemeinern Fakten, die im gesamten Verbreitungsgebiet nicht einheitlich, beziehungsweise gar nicht untersucht sind. So ziehen sie unter anderem mikroskopische Merkmale heran, die meiner Meinung nach sogar von Pflanze zu Pflanze je nach Mikroklima, sicherlich aber in verschiedenen Populationen variieren.
Beispielsweise halte ich die Behaarung des Stängels nicht für ein arttrennendes Merkmal. Nach eigenen Untersuchungen an Epipactis helleborine variiert Dichte und Farbe bei unterschiedlichen Standorten, sogar bei Pflanzen einer Population. Es ist doch bekannt, dass selbst die normalerweise dicht behaarte Epipactis microphylla auch mit kahlem Stängel vorkommen kann. Umgekehrt kann die normalerweise unbehaarte Epipactis phyllanthes (selten) auch behaart sein. Delforge (1997: 233) selbst gibt beispielsweise an, die Behaarung von Epipactis phyllanthes auf der Île d’Oleron variiere von Jahr zu Jahr und sei „manchmal dicht mit einer feinen, sehr kurzen weißlichen Behaarung bedeckt, die auch mit bloßem Auge sichtbar war“. Gévaudan et al. (2001: 56) finden an der selben Stelle unterschiedlich starke Behaarung bei großen und kleinen Pflanzen. Delforge ist an diesem Artikel ebenfalls beteiligt. Young (1953: 267) stellte hingegen fest, dass beschattete Pflanzen eine dichtere Behaarung der Rhachis zeigten als üblich.
Nebenbei bemerkt ist auch die Farbe des Blütenstielchens durchaus nicht immer geeignet, Pflanzen der einen oder anderen Art, beziehungsweise „Gruppe“ zuzuordnen. Zumindest einige Sippen können sowohl grüne als auch violette Blütenstielchen ausbilden: Epipactis helleborine, Epipactis tremolsii, Epipactis greuteri, Epipactis tallosii, Epipactis futakii, sowie Epipactis bugacensis allein in Ungarn (Wucherpfennig 2006 ex verb. und eigene Beobachtungen). Eine Gruppenzuordnung aufgrund dieses variablen Merkmals, wie sie Delforge betreibt, ist natürlich ebenso anfechtbar.
Reinhardt & Richter belegen in einem sehr ausführlichen Artikel die erhebliche Variationsbreite von Epipactis leptochila subsp. leptochila. Unter vielen anderen Fakten geben sie allein für den „Godferyschen Typ“ in England an, der Stängel sei „in der Regel hellgrün gefärbt, oft mit dichten, weißlichen Haaren bedeckt“ (2006: 79). Auch in der Folge betonen sie unter anderem immer wieder die Variabilität hinsichtlich Farbe der vegetativen Teile, sowie die große Variabilität der verschiedensten Blütenteile allein in einem eng begrenzeten Teil Deutschlands.
Delforge selbst (1997: 233) stellt unterschiedliche Blütengrößen, unterschiedliche Färbung und Unterschiede hinsichtlich des Viscidiums in verschiedenen Jahren in ein und derselben Epipactis-Population (Epipactis phyllanthes) fest!
Die Struktur des Blattrandes halte ich ebenfalls nicht für ein arttrennendes Merkmal, auch wenn tendenziell bei verschiedenen Arten unterschiedliche Ausprägungen gefunden werden können. Nach eigenen Untersuchungen kann der Blattrand nicht nur in verschiedenen Populationen und bei unterschiedlichem Mikroklima variieren, sondern sogar bei verschiedenen Blättern einer einzigen Pflanze. Auch fand ich in unterschiedlichen Populationen von Epipactis leptochila subsp. neglecta völlig verschiedene Strukturen. Der Zeichnung in Delforge (1997: 241) ähnelte jedoch keine. Ähnliches stellte ich bei Epipactis helleborine fest. Gévaudan et al. (2001 : 58) belegen diese Beobachtungen – wohl unabsichtlich – auch für Epipactis phyllanthes.
Einige der angeführten Unterscheidungsmerkmale von Epipactis leptochila und „Epipactis maestrazgona“ sind sogar schlichtweg nicht vorhanden oder gar falsch und treffen keinesfalls auf die Gesamtheit der Pflanzen, bestenfalls auf wenige Individuen, zu.
Im Folgenden werden die „Unterschiede“ in Form der übersetzten Tabelle nach Delforge & Gévaudan (2004: 61) dargestellt. In kursiver Schrift finden sich unter den einzelnen Angaben meine eigenen Beobachtungen (wenn abweichend), beziehungsweise die Kommentare nach persönlichen Untersuchungen und Überlegungen:
Epipactis leptochila
Epipactis maestrazgona
Allgemeine Färbung
bleich grün
sehr selten,
eher kräftig grün
frisch grün, beständig
eher gelblich grün, wuchsortbedingt
Stängel
ziemlich dick
je nach Standort
sehr dick
ziemlich dick
Stängelgruppen
nein, sehr selten
stellenweise häufig
sehr häufig [(1-)3-8]
ist auf häufigen Verbiss und lichten Standort zurückzuführen
Behaarung
Rachis (Elem./mm²)
Blütenstielchen
Ovarium
Blütenknospen
kein arttrennendes Merkmal, variabel
flaumhaarig (60-130, durchsichtig)
lückenhaft
fast nicht
keine
samtig (250-320, blaurot)
dicht
dicht
lückenhaft
Blätter:
Stellung
Länge x Breite
schlaff
variabel
ausgebreitet
5-11 x 2,5-5
sehr abhängig von Beschattung und Luftfeuchtigkeit
widerstandsfähig
fast aufgerichtet
lichter Wuchsort
4-8 x 1,5-3,4
wächst meist halbschattig,
im Sommer teils wenig Luftfeuchtigkeit
Blütenstielchen
Basis grünlich gelb
hell- bis dunkelgrün
dunkelgrün
gelb- bis dunkelgrün
Blüten
Allgemeine Färbung
Verbindung Hypochil/Epichil
-: Form
-: Schwielen
groß
wenig farbig
populationsabhängig sehr variabel,
es gibt sowohl stärker als auch weniger stark gefärbte als
in Spanien
ziemlich schmal bis schmal
ziemlich breit bei subsp. leptochila, V-förmig
sehr verlängert
wenig farbig
variabel, häufiger ebenso
intensives Amethyst
mittel
gleiche Größe, variabel
grün
gleiche Färbung wie die Mehrzahl der mitteleuropäischen E.leptochila
ziemlich breit
V-förmig
ein wenig länger als breit
sehr variabel, gelegentlich
ebenso sehr verlängert
Amethyst oft intensiv
Gynostemium: Anthere
gestielt und schmal
variabel, auch ungestielt
ohne Stiel, ziemlich breit
auch kurz gestielt
Standort
Höhe
frische, kalkige Buchenwälder
wärmeliebend, gern im Bereich von Pinus sylvestris in lichten Buchenwäldern
bis 1200 m
bis 1500 m (Delforge 2005: 90) 1550 m (Baumann et al. 2006: 85)
kalte Zonen in Kiefernwäldern mit Pinus sylvestris
durch lichten Bewuchs und wenig Luftbewegung sommerwarme Biotope
1400 – 1600 m
Wuchsort weiter südlich, also keine niedrigen Fundorte
Blütezeit
2 – 3 Wochen vor E. helleborine
1 – 2 Wochen vor E. helleborine
1 – 2 Wochen nach E. atrorubens
nach allen anderen Epipactis
an den Fundorten wächst keine spät blühende Art, also keine Vergleichsmöglichkeit
Wie die kursiv gedruckten Kommentare in der Tabelle zeigen, bleiben keinerlei arttrennende Merkmale übrig, die eine Neubeschreibung auch nur ansatzweise rechtfertigen würden. Auch den Status einer Unterart oder einer Varietät könnte ich nicht nachvollziehen. Statt dessen sollte die Art Epipactis leptochila subsp. leptochila in die Artenliste Spaniens aufgenommen werden: Die geringen morphologischen Unterschiede zu den Pflanzen Mitteleuropas sind sicherlich auf die extreme Lage am südwestlichen Ende des Verbreitungsgebiets mit den entsprechenden klimatischen Gegebenheiten zurückzuführen. Für eine Einkreuzung anderer Arten gibt es keinen Hinweis.
Eine Verbreitungslücke (die im Übrigen schwer nachzuweisen wäre) ist im Gegensatz zu Gévaudans Meinung (2006 in lit.) sicher kein Argument, eine neue Art zu schaffen. Man müsste sonst nicht nur Orchis spitzelii und Epipactis placentina in mehrere unterschiedliche Arten aufteilen. Zwischen den bekannten Wuchsorten befindet sich nun einmal größtenteils ungeeignetes, vom Menschen verändertes Gebiet.
Es besteht die Meinung, dass Epipactis leptochila s.str. ausschließlich im Buchenwald wachsen könne (Gévaudan 2006 in lit.). Nach eigenen Untersuchungen steht die Art in Mitteleuropa tatsächlich meistens unter Rotbuchen (Fagus sylvatica), gern aber auch direkt bei Kiefern (Pinus sylvestris). In Ausnahmefällen wächst sie sogar außerhalb des geschlossenen Waldes, etwas häufiger schon in reinen Fichtenbeständen (Picea abies). Auch Hertel & Riechelmann (2003: 13) geben Kiefern als Begleitpflanzen an. Sie beschreiben eine leicht abweichende Form aus Hainbuchenwäldern (Carpinus betulus) Kroatiens als neue Unterart (Epipactis leptochila subsp. dinarica). Die Rotbuche kommt an den beschriebenen Stellen offenbar gar nicht vor.
Baumann et al. (2006: 84) führen den Namen Epipactis maestrazgona als Synonym von Epipactis helleborine subsp. tremolsii, was sicherlich nicht korrekt ist. Den verwendeten Unterartrang von Epipactis tremolsii kann man meiner Meinung nach schon eher akzeptieren.
Kreutz (2004: 63) führt die Sippe in seinem Kompendium noch als Unterart von Epipactis leptochila, ist aber inzwischen ebenfalls der Meinung, dass selbst diese Rangstufe nicht gerechtfertigt ist (in lit. 2006). Er fand in England identische Ausprägungen von Epipactis leptochila.
Was die Blüten der spanischen Sippe betrifft, so findet man absolut gleich aussehende auch in der etwas älteren Literatur: In Buttler (1986: 29), in Reinhard et al. (1991: 113) und in Bournérias (1998: 343) befinden sich Blütenfotos von Epipactis leptochila aus der Schweiz und vom Niederrhein, die sich mit dem Blütenfoto in Delforge & Gévaudan (2004: 69) decken. Dieses findet man wieder in Delforge (2005: 88 links unten). Beim Vergleich kommt auch einem Epipactis-Kenner sicherlich nicht der Gedanke, dass es sich um unterschiedliche Sippen handeln könnte. Allein die Blüten von Epipactis leptochila subsp. leptochila s.l. variieren deutlich stärker in verschiedenen nahe beieinander liegenden mitteleuropäischen Biotopen als diese Fotos aus verschiedenen, weit auseinander liegenden Ländern.
Epipactis leptochila subsp. leptochila wächst in den Hochlagen Ostspaniens sehr isoliert und ist zudem mit ziemlicher Sicherheit sehr selten, auch wenn Vorkommen in weiteren Gebieten (zum Beispiel in der Serra Segura) durchaus möglich erscheinen. Außerdem ist sie hier vermutlich durch die gerade einsetzende Klimaänderung bedroht. Ein besonderer Schutzstatus mit entsprechenden Aktivitäten (Einzäunung vom Austrieb bis zur Samenreife, keine Auslichtung des umgebenden Waldes) wäre also dringend nötig, um sie dauerhaft für dieses Gebiet zu erhalten.
Fazit: Die Art „Epipactis maestrazgona“ gibt es nicht. Epipactis leptochila ist auch in Spanien anzutreffen.
3.6 Epipactis distans C. Arvet-Touvet
Das erste Mal wurde Epipactis distans aus Spanien im Jahr 2000 gemeldet (Ayuso & Tabuenca) 2000: 106). Auch C. E. Hermosilla (2001: 51) berichtete ausführlich über diese Art. Bereits am 30. 07. 2001 fand ich zufällig das erste Mal entsprechende Pflanzen im Bergland ENE Teruel in einem typischen Biotop (sehr licht stehende Jungkiefern) zwischen Mosqueruela und Cantavieja. Sie waren teils verblüht, teils waren an kräftigen Individuen noch wenige Blüten intakt. Schon vom Habitus her gab es für mich keinen Zweifel, dass es sich um Epipactis distans handeln musste, man konnte dies schon vom Auto aus erkennen. Die Untersuchung der Blüten bestätigte den ersten Eindruck, obwohl sie für die mir recht gut bekannte Sippe relativ farbig erschienen. Dies ist aber am Ende der Blütezeit eher typisch für viele Pflanzen dieser Art. Ich stellte das unter anderem im Jahr zuvor schon in den Südwestalpen am Col d’Izoard (Südseite von 2200 m ü.M. abwärts; Terra typica) fest. Hier zeigten sich die Pflanzen bei 2200 m ü.M. am 29.07.2000 teils noch knospig bis aufblühend, bei 1800 m ü.M. bereits überwiegend abblühend.
Über die noch vor wenigen Jahren recht umstrittene Sippe wurde in letzter Zeit häufiger berichtet. Einige Fakten möchte ich hier noch einmal in Erinnerung rufen. Inzwischen ist die Sippe bei den allermeisten Spezialisten anerkannt, die meisten vertreten auch den Artrang, den im Übrigen Hollingsworth et al. (2006) biochemisch untermauern.
Die Art ist, mit Ausnahme von Einzelpflanzen, mit einiger Übung eigentlich recht leicht anzusprechen. Sie ist nämlich im gesamten Verbreitungsgebiet auffallend wenig variabel.
· Der Stängel ist verhältnismäßig dick.
· Die Blätter sind relativ wenig zahlreich, meist sind es nur 3 – 5. Im Norden des Verbreitungsgebiets können kräftige Pflanzen als Ausgleich für die schwächere Sonneneinstrahlung bis zu 7 Blätter besitzen.
· Die Blätter sind recht klein. Bei sonnigem Wuchsort erreichen sie meist nicht den Ansatz des nächsthöheren Blattes. Halbschattig oder schattig (selten!) wachsende Pflanzen, sowie Jungpflanzen besitzen etwas längere, selten deutlich längere Blätter. Dies ist vor allem in niederschlagsreichen Jahren der Fall.
· Sterile Exemplare kommen äußerst selten vor: Im größten Teil des Verbreitungsgebietes, wo ich die Art an ungefähr 2000 Individuen studieren konnte, fand ich nur 3 sterile Triebe im Schatten.
· Sie bildet häufig Gruppen, was vor allem im Kernbereich (gesamter Alpenbereich und die Fränkische Schweiz in Nordbayern) auffällt, wo sie offenbar optimale Bedingungen vorfindet. Fünf Triebe und mehr sind hier keine Seltenheit; man hat schon um die 20 Sprosse beieinander gefunden. In Trockenjahren ist die Anzahl der Sprosse normalerweise geringer als in Jahren mit ausreichenden Niederschlägen. In den Außenbereichen des Verbreitungsgebiets werden die großen Gruppen immer seltener, zwei bis vier Stängel kann man aber auch dort häufig beieinander finden. Als Außenbereiche mit offenbar suboptimalen Bedingungen verstehe ich die deutsche und polnische Ostseeküste, Ostpolen, Schweden, Spanien, die Cevennen, Mittelitalien, Slowenien und Ostösterreich. Die östlichsten und nordwestlichen Gegenden des auffallend disjunkten Verbreitungsgebiets kenne ich noch nicht. Vermutlich sind einige Grenzen noch weiter nach außen zu verschieben.
· Die Blüten sind groß und weit geöffnet, sie sind stets weniger gefärbt als die von bunten Epipactis helleborine.
· Die breiten Petalen sind weiß bis blass rosa, seltener (vor allem in den Außenbereichen des Verbreitungsgebiets und zum Ende der Blütezeit etwas häufiger) kräftiger rosa gefärbt.
· Die Sepalen sind innen stets hellgrün (leicht rot gefärbt bei etwa 1% und bei den seltenen Hybriden mit anderen Arten), was sie von der viel häufiger bunten Epipactis helleborine unterscheidet. Auf der Außenseite sind die Sepalen häufig grün, oft aber auch mehr oder weniger rot überlaufen, vor allem am Ende der Blütezeit. Dies trifft auf alle bisher von mir in Hochblüte oder abblühend gesehenen Populationen zu. Häufiger trifft man die Färbung wieder in den Randbereichen des Verbreitungsgebiets an.
· Das Hypochil ist innen oft weniger dunkel gefärbt als bei Epipactis helleborine, also selten schwarzbraun.
· Das Epichil ist etwa so lang wie breit, also schmäler als bei Epipactis helleborine. Es ist meist weißlich mit einer dunklen (auch grünlichen) Mittelrippe. Seltener zeigen sich bräunlich gefärbte Kalli auf beiden Seiten der Rippe - sie könnten auf Einflüsse von anderen Arten hindeuten. Selten ist auch die Lippe teilweise (besonders an den Rändern des Epichils) oder ganz rosa überlaufen. Dies dürfte bei stärkerer Ausprägung ebenfalls auf Einflüsse anderer Arten oder auf Bastarde hindeuten.
· Der Durchgang zwischen Epichil und Hypochil ist schmäler als bei den allermeisten Epipactis helleborine.
Wie man sieht, gibt es zahlreiche Unterscheidungsmerkmale zu Epipactis helleborine, die aber einzeln bei manchen helleborine-Individuen auch auftreten können. Wichtig ist es also, mehrere Merkmale zu betrachten. Eine gewisse Variationsbreite muss man Epipactis distans natürlich zubilligen, zudem sind Bastarde immer denkbar, auch wenn sie insgesamt eher selten sind. Wie bereits erwähnt ist diese Art verglichen mit Epipactis helleborine insgesamt auffallend wenig variabel.
Delforge (2004: 164, 2005: 85) scheint der Art offenbar keinerlei Variabilität zuzugestehen. Nach seiner Meinung gehören lediglich die Pflanzen aus den Südwestalpen zu dieser Art. Die übrigen bezeichnet er als Epipactis helleborine subsp. orbicularis. Man muss klar sagen, dass diese Auffassung mit Sicherheit falsch ist. Viele Pflanzen in den meisten mir bekannten Populationen des Verbreitungsgebiets sind absolut identisch mit solchen aus den Südwestalpen!
Um seine These aber zu untermauern, zitiert er auch aus Arbeiten anderer Epipactis-Spezialisten (Dworschak & Wucherpfennig 1995, Wolf 1997, Weigelt & Riechelmann 2002) einige Aussagen schlichtweg falsch oder unvollständig (Delforge 2004: 154). Wucherpfennig (2006) stellt dies ausführlich dar. So entsteht beim Leser ohne Vergleich der Originalliteratur tatsächlich der Eindruck zweier verschiedener Sippen. (Dieser Eindruck ist wohl in der Regel erweckt worden, denn Delforges Arbeiten sind in französisch verfasst, die zitierte Literatur aber in deutsch.) Solch ein Vorgehen ist scharf zu verurteilen. Behauptungen wie „Die von bayerischen Pflanzen publizierten Illustrationen zeigen stets Blüten von E. distans mit roten oder purpurnen Petalen...“ („Les illustrations publiées pour les plantes bavaroises montrent toujours des fleurs d’E. distans aux pétales rouges ou pourpres... Delforge 2004: 155) sind zudem frei erfunden, wie ein Blick in die zitierte Literatur beweist (Wolf 1997: 110, Presser 2000: 205, Weigelt & Riechelmann 2002: 112). Wenn auch in der zuletzt genannten Arbeit, wie in manchen anderen Berichten, neben einer recht hellen auch eine farbige Blüte gezeigt wird, so geschah das sicherlich deshalb, weil die Autoren diese buntere Ausprägung als ansprechender ansahen und nicht ahnen konnten, dass leichte Farbunterschiede zur späteren Abtrennung einer Art dienen könnten. Nachdem Delforge (2004: 150) aber angibt, mehrfach „Epipactis distans s.l.-Standorte in Deutschland, Österreich und Italien“ besucht zu haben, hätte ihm sofort auffallen müssen, dass die überwiegende Mehrheit der Pflanzen exakt denen in den Südwest-Alpen entspricht, die er nach eigenen Angaben zur Blütezit bereits zehnmal besucht hat.
Schließlich betont er noch die „diagnostische Wichtigkeit bei den Farben der Blüten von E. distans und E. orbicularis“ (2004: 164). Das ist eine Aussage, der ich überhaupt nicht folgen kann. Auch in den Südwestalpen, beispielsweise südlich des Col d’Izoard, kann man Einzelpflanzen mit bunteren Blüten finden. Dies kann vor allem bei sehr warm und sonnig stehenden Individuen der Fall sein; besonders zeigt sich die Farbe nach der Hochblüte. Wucherpfennig (2006: 666) bildet solche Exemplare aus dem Terra typica ab.
Genauso verwunderlich ist es, dass Delforge für Epipactis distans aus den Südwest-Alpen eine Vorliebe für feuchten, ja sogar durchnässten Boden angibt (Delforge 2004: 153). Er verwendet diese Aussage zur Abgrenzung der in dieser Arbeit neu beschriebenen Epipactis molochina (2004: 171). Feuchten Untergrund habe ich bei drei Besuchen der Art im Terra typica nirgends feststellen können, was sich mit den Untersuchungen von Chas & Tyteca (1992) deckt, die von Delforge (2004: 151) sogar zitiert werden. Auch Wucherpfennig (2006: 645) konnte derartiges nicht finden. Epipactis distans ist nach meinen Erkenntnissen durchaus trockenheitsliebend, was den Untergrund betrifft. Dies konnte ich an allen bisher besuchten Fundorten (> 40) feststellen. Offenbar meidet sie aber Gebiete, in denen Niederschläge in der Zeit des Austriebs und des Emporwachsens selten sind.
Delforge (2004: 153, 156) berichtet auch von einem Fundort der Art auf einem Pionierstandort mit sauren Sänden in der Vaucluse, den er als „atypisch“ bezeichnet. Eine Pflanze dieser Population wurde demnach molekularbiologisch untersucht und zu seiner Überraschung eindeutig als Epipactis distans s. str. identifiziert. Für andere Fundorte lässt er diesen Biotoptyp aber nicht gelten, sondern verwendet diesbezügliche Meldungen sogar als Unterscheidungsmerkmal (2004: 156, 162).
Schließlich benutzt er auch zitierte Blütezeiten als Merkmal zur Unterscheidung, wobei er sich wieder nur die scheinbar passenden, seine These unterstützenden, herausgreift (2004: 159, 162). Die Pflanzen der Südwestalpen, die in hohen Lagen selbst in frühen Jahren bis in den August hinein blühen, ignoriert er.
Seiner Meinung nach ist Epipactis distans eine Gebirgspflanze. Der von ihm erwähnte „atypische Fundort“ in der Vaucluse liegt aber nur auf 240 m ü.M.. Man muss sicherlich neben der Meereshöhe auch das herrschende Kleinklima betrachten und das kann in Tälern durch Kaltluftstau erheblich rauer sein als beispielsweise 500 m höher an einem Südhang.
Auch der Breitengrad spielt logischerweise eine erhebliche Rolle: Epipactis distans kommt im sehr südlich liegenden Spanien etwa um 1700 m ü.M. vor. Dies gilt auch für die klimatisch bevorzugten Südwestalpen (bis 2200 m ü.M.). In den Nordalpen findet man sie normalerweise in deutlich tieferen Lagen (Optimum etwa bei 1000 m ü.M.). Weiter im Norden, in der Fränkischen Schweiz, kommen die allermeisten Pflanzen dieser Spezies zwischen 500 und 600 m ü.M. vor. Noch weiter nördlich, an der Ostsee, findet man die Art in teils reichen Beständen bereits auf Meereshöhe. Hier blüht sie durch die lange kühl bleibende Ostsee ziemlich spät (wie übrigens auch die im selben Biotop wachsende, meist kurz vorher aufblühende Epipactis atrorubens), in manchen Jahren erst ab Mitte oder gar Ende Juli. Auch Anfang August kann man in feuchteren, kühleren Jahren noch einzelne aufblühende Individuen finden (analog dazu Epipactis atrorubens!). Kommt in der Nähe Epipactis helleborine in schattigen Bereichen auf frischeren Böden vor, ist diese dann noch in Knospe. Wahrscheinlich hängt dieses Blühverhalten damit zusammen, dass die Tage zu Beginn der Vegetationsperiode so weit im Norden verglichen mit südlichen Lagen kurz sind und die wärmende Sonne noch recht flach steht. Dies scheint alle Epipactis-Arten anfangs etwas zu hemmen.
Delforge (2004) beschreibt nun in seiner sehr ausführlichen und geschickt formulierten Arbeit extreme Ausprägungen in Spanien als Epipactis molochina neu im Artrang (!), verallgemeinert seine Beobachtungen leider und verwendet dazu entsprechende Fotos. Dass auch reichlich absolut typische Pflanzen in den Biotopen wachsen, verschweigt er konsequent, ebenso wie das Vorkommen von bunten Exemplaren in den Südwest-Alpen. Er (2004: 184 - 185, 2005: 70 und 85) bildet für die beiden Taxa Epipactis distans und „Epipactis molochina“ überwiegend extreme Ausbildungen ab, die seine These zu stützen scheinen. Zu allem Überfluss ordnet er sie in seinem Führer (2005) verschiedenen „Gruppen“ zu, eine Vorgehensweise, die er häufiger praktiziert (vergleiche Hertel & Presser 2006). Epipactis distans aus den Südwest-Alpen ordnet er unverständlicherweise in der „Gruppe von Epipactis purpurata“ ein, die übrigen Pflanzen bringt er in der „Gruppe von Epipactis helleborine“ unter. So wird die für meine Begriffe auf der Hand liegende Identität zusätzlich verschleiert.
Eine Tatsache muss man allerdings zugestehen: Im spanischen Teil des Verbreitungsgebiets kommen durchaus Pflanzen mit bunter gefärbten Blüten (einschließlich der Blütenstielchen und vegetativen Teile) vor als in den Südwest-Alpen. Sie scheinen von der sehr stark gefärbten Epipactis cardina beeinflusst zu sein, die ja in den Südwest-Alpen fehlt. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass Delforge für manche seiner Belegfotos sogar Bastarde der F1-Generation zwischen beiden Arten ausgewählt hat. Solch extreme Ausprägungen sah ich bisher in Spanien nicht.
Blaich (2006) sieht dies ebenso und zeigt auf seiner sehr sehenswerten Homepage helle Blüten von Teruel. Auf seinem Habitus-Foto ist das unterste Blatt vertrocknet, deshalb wirkt die Pflanze untypisch hochbeinig. Er zeigt auch Bilder aus verschiedenen anderen Bereichen des Verbreitungsgebiets.
Auch von den anderen besprochenen Arten hat er Beispiele aus Spanien auf seiner Seite.
Fazit: Die Verbreitung von Epipactis distans erstreckt sich durchaus auch auf Spanien, ein Teil der Pflanzen zeigt eine kräftigere Färbung als in der Terra typica. Die Art „Epipactis molochina“ gibt es nicht.
4. Danksagung
Zu großem Dank verpflichtet bin ich den Herrn Benito Ayuso (Logrono, E) und Günther Blaich (Heidelberg) für wichtige Fundortangaben. Ohne sie hätte ich die ersten Populationen verschiedener Arten nur mit viel mehr Aufwand finden können. Von Herrn Ayuso erhielt ich zudem wichtige Literatur. Besonderer Dank gebührt wieder Herrn Stefan Hertel (Haag), sowie Herrn Hans-Ulrich Dickmann (Eichstätt) für die undankbare Aufgabe des Korrekturlesens. Für die Korrektur der englischen Zusammenfassung danke ich Frau Gisela Advani, Bangalore/Indien. Herr Alain Gévaudan (Villeurbanne, F) führte mit mir freundlicherweise eine sehr ausführliche Diskussion per E-mail, wofür ich ihm ganz besonders herzlich danke.
5. Literatur
Ayuso, J. B. & C. Hermosilla (1998): Dos nuevas Especies ibéricas, Epipactis cardina y Epipactis hispanica, más alguno de sus híbridos: Epipactis x conquesensis (E. cardina x E. parviflora), y Epipactis x populetorum (E. helleborine x E. hispanica). - Est. Mus. Cienc. Nat. de Álava 13: 103 – 115.
Ayuso, J. B., Sáenz , J. A. A. & J. A. A. Urarte (1999): Aproximación al Catálogo de las Orquídeas de la Rioja (Espana). - Est. Mus. Cienc. Nat. de Álava 14: 19 – 64.
Ayuso, J. B. & J. M. Tabuenca (2000): Apuntes sobre orquídeas (principalmente del sistema Ibérico). - Est. Mus. Cienc. Nat. de Álava 15: 103 –126.
Ayuso, J. B. & J. M. Tabuenca (2001): Apuntes sobre orquídeas Ibéricas. - Est. Mus. Cienc. Nat. de Álava 16: 67 – 87.
Baumann, H., Künkele, S. & Lorenz, R. (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten. Ulmer Verlag, Stuttgart.
Bournérias, M. (ed.) (1998): Les Orchidées de France, Belgique et Luxembourg. - Biotope, coll. Parthénope, Paris.
Buttler, K.P. (1986): Orchideen. Die wildwachsenden Arten und Unterarten Europas, Vorderasiens und Nordafrikas. – Mosaik-Verlag, München.
Chas, É. & D. Tyteca (1992): Un Epipactis méconnu de la flore de France. – L’Orchidophile 23: 7 – 15.
Delforge, P. (1995) : Epipactis campeadorii, une nouvelle espèce ibérique du groupe d’Epicpactis leptochila. – Natural. belges 76 (Orchid. 8) : 89 – 97.
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Helmut Presser
Keywords
Orchidaceae; Epipactis: Epipactis bugacensis, Epipactis campeadorii, Epipactis cardina, Epipactis confusa, Epipactis distans, Epipactis fageticola, Epipactis hispanica, Epipactis kleinii, Epipactis leptochila, Epipactis maestrazgona, Epipactis molochina, Epipactis parviflora, Epipactis phyllanthes, Epipactis provincialis, Epipactis rhodanensis, Epipactis subclausa. - Flora von Spanien, Taxonomie.
Summary
The article scrutinises the presently used taxonomy for some Epipactis species in Spain. In this context the more recent publications of Kreutz (2004), Delforge (2005) and Baumann, Künkele & Lorenz (2006) are compared and the different ways of applying the terms are discussed.
Some lesser known and recently described taxa of Epipactis are introduced and assessed for to their independence and relationship:
Epipactis hispanica is looked upon as synonymous with Epipactis bugacensis, in the case of Epipactis campeadori the similarity is presumed.
According to the author, Epipactis fageticola is identical with Epipactis phyllanthes (confusa) and at best deserves the position of a subspecies.
Epipactis molochina and Epipactis maestrazgona, described last, are synonymous with Epipactis distans and Epipactis leptochila. The latter should be newly included to the list of species found on the Spanish Peninsula. The manner in which the last two created species are described is rejected; many assertions trying to correct the facts are either put into proper perspective or disproved.
Zusammenfassung
Der Artikel nimmt die derzeit verwendete Nomenklatur bezüglich einiger Epipactis-Arten in Spanien kritisch unter die Lupe. Die neueren Werke von Kreutz (2004), Delforge (2005) und Baumann, Künkele & Lorenz (2006) werden diesbezüglich verglichen, die unterschiedliche Handhabung des Artbegriffs wird diskutiert.
Einige weniger bekannte und neu beschriebene Epipactis-Sippen werden vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eigenständigkeit bzw. ihrer Zugehörigkeit beurteilt:
Epipactis hispanica wird als Synonym von Epipactis bugacensis angesehen, für Epipactis campeadorii wird dies vermutet.
Epipactis fageticola ist nach Meinung des Autors identisch mit Epipactis phyllanthes (confusa) und verdient bestenfalls den Rang einer Unterart.
Die als letztes beschriebenen Taxa Epipactis molochina und Epipactis maestrazgona sind Synonyme für Epipactis distans und Epipactis leptochila. Letztere sollte neu in die Artenliste der spanischen Halbinsel aufgenommen werden. Die Praktiken bei der Beschreibung der beiden zuletzt kreierten Arten werden angeprangert, zahlreiche Behauptungen werden zur Richtigstellung der Sachverhalte relativiert oder widerlegt.
1. Einleitung
In den letzten 10 Jahren bereiste ich die Iberische Halbinsel in der Sommerzeit mehrfach, um die Gattung Epipactis hier genauer zu studieren. Gerade in diesem Zeitraum wurde verstärkt über diese schwierige Gattung in diesem Gebiet publiziert, was oft auch die Beschreibung neuer Taxa beinhaltete. Sie wurden mit einer Ausnahme alle im Artrang beschrieben. Auch die Ausnahme wurde kurz nach der Beschreibung vom Varietätsrang in den Artrang erhoben.
Die Reisen dienten einerseits dazu, die Sippen kennenzulernen, andererseits zu entscheiden, ob der Artrang gerechtfertigt sei. Letzteres erschien mir nämlich nach den Veröffentlichungen häufig zweifelhaft, besonders, wenn ich die Sippe vorher schon am Standort gesehen und sie problemlos eingeordnet hatte.
2. Taxonomie
Der hier verwendete Artbegriff richtet sich wie in früheren Veröffentlichungen (Presser 2004, Hertel & Presser 2006 und Presser 2007) im wesentlichen nach Sundermann (1980: 27 – 30). Neben anderen Autoren vertritt auch Paulus (2006) diese Sichtweise und stellt dies in seiner Homepage sehr anschaulich dar. Prinzipiell benutzen Jonsell, Pedersen und Kreutz dieselben Einteilungen (in Kreutz 2005: 97 – 98), sie legen sie aber teilweise sehr unterschiedlich aus. So kommen natürlich ganz verschiedene Kombinationen zustande. Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, als versuchten manche Autoren, künstlich neue Kombinationen zu erschaffen, um ihren eigenen Namen dahinter zu setzen.
Sowohl in der Zoologie als auch in der Botanik werden allgemein zwei Sippen als getrennte Arten (Spezies) betrachtet, wenn die Nachkommen aus einer Kreuzung zwischen beiden normalerweise nicht fruchtbar sind. Als Beispiel könnten die nahe miteinander verwandten Arten Orchis mascula und Orchis pallens gelten, die sich häufig kreuzen, deren Bastarde in der Regel jedoch unfruchtbar sind.
Als Unterart, (Subspezies, subsp.) wird dann eine morphologisch eindeutig von der Nominatform zu unterscheidende Sippe bezeichnet, die durch eine Barriere getrennt ist. In der Regel wird eine geografische Entfernung als Barriere angenommen (Beispiel: Orchis mascula subsp. mascula und subsp. speciosa), es kann jedoch auch eine geologische, ökologische oder zeitliche Barriere sein. Beispiele wären hier Orchis coriophora subsp. coriophora und Orchis coriophora subsp. martrinii, sowie subsp. fragrans (geologisch oder stellenweise auch ökologisch) oder Orchis ustulata subsp. ustulata und subsp. aestivalis (zeitlich). In Begegnungszonen sind Übergangsformen durchaus möglich, da es sich um eine einzige Art handelt. Im Beispiel von Orchis mascula subsp. speciosa (signifera) existiert eine sehr breite Überlappungszone mit den verschiedensten Zwischenformen. Bei Orchis ustulata subsp. aestivalis gibt es keine Zwischenformen, wenn getrennte Biotope besiedelt werden oder wenn die zeitliche Trennung so ausgeprägt ist, dass sich die Blütezeiten nicht überlappen. Dies ist normalerweise im Flachland der Fall. Zwischenformen treten hier also nur in ganz bestimmten, isolierten Gebieten auf. Dactylorhiza ochroleuca zum Beispiel kann aber nicht als Unterart geführt werden, weil sie auch bei einem Vorkommen neben Dactylorhiza incarnata nur wenige Bastarde, aber keine zahlreichen Übergangsformen zu dieser bildet.
Als Varietät (var.) gelten Einzelexemplare, die hier und da in den Populationen der Nominatform (selten einmal in reinen Beständen) vorkommen und ein gemeinsames Merkmal haben, das sie von der Nominatform unterscheidet. Die verschiedenen Varietäten der Ophrys apifera wären hier ein gutes Beispiel. Orchis ustulata subsp. aestivalis beispielsweise kann dagegen nicht als Varietät geführt werden, weil die allermeisten Biotope mit der Nominatform nicht für diese Sippe geeignet sind. Eine Varietät unterscheidet sich nicht durch andere Standortansprüche von der Nominatform.
Delforge benutzt die Rangstufe der Unterart nicht. Statt dessen ordnet er die einzelnen Arten in verschiedene Gruppen ein. Dies ist zwar praktikabel, eine Gruppe ist allerdings keine gültige Rangstufe. Die Zuordnung erfolgt zudem teilweise recht willkürlich und ist manchmal kaum nachzuvollziehen. Nahe verwandte, zum Teil auch kaum unterscheidbare Sippen finden sich häufig in völlig verschiedenen Gruppen wieder (vergleiche Hertel & Presser 2006: 507). Des weiteren sieht er sich gezwungen, alle Unterarten umzukombinieren und je nach Geschmack den übrig bleibenden Rangstufen unterzuordnen, was nicht annähernd befriedigend zu lösen ist. Neuerdings (2006: 258 - 264) benutzt er auch die Rangstufe „forma (f.)“, was ihn in die Lage versetzt, wieder neue Kombinationen zu erschaffen und letztendlich doch wieder genauer zu untergliedern.
3. Die Arten
3.1 Epipactis cardina Benito Ayuso & Hermosilla
Die recht leicht zu erkennende Sippe zeichnet sich meist durch einen tremolsii-ähnlichen Habitus aus, die gewellten Laubblätter können aber verhältnismäßig lang (bis ca. 10 cm) werden. Sie sind, wie der Rest der Pflanze, häufig auch noch zur Blütezeit oberseits, besonders aber unterseits mehr oder weniger violett überlaufen. Selten findet sich hier gar kein Violett. In Extremfällen verschwindet die grüne Farbe sogar unter dem roten Farbstoff (Anthocyane). Diese extremen Ausprägungen sind nicht einmal besonders selten. Insgesamt erscheinen die Pflanzen sogar stärker violett getönt als Epipactis purpurata. Die Blüten ähneln wieder denen von Epipactis tremolsii, die einzelnen Blütenblätter sind jedoch häufig weniger breit (Sepalen bis 5mm statt bis 6,5 mm breit). Zudem erscheinen sie bei vielen Exemplaren durch den violetten Farbstoff dunkler. Ich fand auch ein chlorophyllfreies (chlorotisches) Exemplar, das analog zur Epipactis purpurata var. rosea in allen Teilen rein rosa erschienen war.
Die doch sehr auffällige Sippe wurde erst 1998 beschrieben und kommt offenbar nur in Bergmassiven des mittleren und südlichen Ostspaniens vor (bisher bekannt aus den Provinzen Teruel, Cuenca, Alicante, Jaen, Murcia, Granada, etwa ab 1400 m ü.M.). In manchen Gebirgen (z.B. E Teruel) ist sie nicht allzu selten, sie fehlt aber über weite Strecken trotz scheinbar passender Biotope. Häufig findet man sie unter Waldkiefern auf trockenen, karbonatischen Böden, gelegentlich auch in Pappel-Anpflanzungen. Sie bevorzugt lichten Schatten, kommt aber in hohen Lagen (um 2000 m ü.M.) auch in der prallen Sonne vor. Dort meidet sie aber den Südhang. Ihre Blütezeit beginnt normalerweise erst im Juli. Aber auch in frühen, trockenen Jahren wie 2006 kann man sie vereinzelt in hohen Lagen Anfang August noch aufblühend finden. Direkt daneben können dann auch bereits verblühte Exemplare stehen. Epipactis kleinii ist dann kaum noch in Blüte anzutreffen, nur Epipactis leptochila steht an kühlen Stellen eventuell in Hochblüte.
Delforge (2005: 54) ordnet Epipactis cardina in die „Gruppe von E. atrorubens“ ein. Ihr Lippenkallus ist allerdings nicht gegliedert, auch die Behaarung von Stängel und Fruchtknoten ist deutlich geringer. Meines Erachtens ist sie weniger mit Epipactis atrorubens, viel mehr nahe mit Epipactis tremolsii verwandt.
In den Bestimmungsbüchern wird sie allgemein im Artrang geführt.
3.2 Epipactis bugacensis Robatsch
Die noch sehr junge Geschichte der spanischen Epipactis bugacensis liest sich sehr verworren:
1998 beschreiben (S. 108) die beiden Spanier J. B. Ayuso und C. E. Hermosilla die Sippe im Artrang als Epipactis hispanica var. hispanica.
Bereits 2001 führt Delforge die Sippe (S. 92) in der 2. Auflage seines Orchideenführers als Synonym (unter dem Namen E. hispanica) unter der von ihm beschriebenen Epipactis campeadorii.
Kurz danach wird sie von ihm in die Synonymie der 1994 beschriebenen Epipactis rhodanensis gestellt (Delforge 2001 b: 54), eine Einschätzung, die durchaus nachvollziehbar ist. Dies behält er auch in seinem aktuellen Führer bei (Delforge 2005: 71). Epipactis bugacensis aus dem Osten führt er jedoch als eigene Art.
Inzwischen hatte Wucherpfennig (2003: 48) allerdings schon veröffentlicht, dass die aus Ungarn beschriebene Epipactis bugacensis und die aus Frankreich (vom selben Autor!) beschriebene Epipactis rhodanensis kaum Unterschiede aufweisen. Letztere wurde in dieser Arbeit deshalb folgerichtig zur geografischen Unterart umkombiniert. Die fragliche Sippe heißt nun also Epipactis bugacensis subsp. rhodanensis. Delforge ignoriert diese Erkenntnisse, die Rangstufe der Unterart verwendet er sowieso nicht.
Nun ist es allerdings so, dass die Kenntnis bezüglich der Verbreitung der beiden Unterarten sprunghaft zunimmt. Inzwischen wurden Funde (immer unter dem im Westen gebräuchlicheren Namen Epipactis rhodanensis) aus Norditalien, Ost- und Westösterreich, sowie aus Südostdeutschland gemeldet. Die scheinbaren Lücken zwischen beiden Unterarten beginnen sich zu schließen. Mit der Zunahme der Kenntnisse über die Verbreitung nimmt auch das Wissen über die Variabilität zu. Die geringen Größenunterschiede der Blüten (Länge der Sepalen), die Wucherpfennig in nur zwei Populationen (Frankreich und Ungarn) fand, sind nun nach meinen Untersuchungen überhaupt nicht mehr aussagekräftig. Allein in Spanien variiert die Sippe je nach Meereshöhe, Beschattung und Wasserversorgung enorm, nicht nur im Bereich der Blüten. Die auffälligste Variation betrifft den Habitus: Die Pflanzen können als langblättrig bis extrem kurzblättrig bezeichnet werden, bei manchen Pflanzen sind die mittleren Laubblätter bis fünfmal so lang wie bei anderen in der Nähe stehenden. Solch langes Blattwerk sah ich aber bisher nur in relativ dunklen, luft- und teils bodenfeuchten Biotopen Spaniens, die vom Menschen gelegentlich zu Bewässerungszwecken überschwemmt werden. Die Lippe ist manchmal rein weiß, häufig leicht rosa angehaucht, seltener deutlich rosa mit grünlicher Epichilspitze. Die Blütenmaße variieren zwar bei einzelnen Pflanzen und in verschiedenen Biotopen, die Blüte ist aber nie als groß zu bezeichnen. Häufig hängen sie und öffnen sich bestenfalls mehr oder weniger glockig. Es scheint auch so, als ob die stets gut entwickelte Klebdrüse im gesamten Verbreitungsgebiet unwirksam ist und die Pollinien schon bei Blühbeginn zerfallen. Auch Säulen- und Lippenform scheinen kaum zu variieren.
Als logische Schlussfolgerung müssten daher auch die spanischen und die französischen Pflanzen als Epipactis bugacensis bezeichnet werden. Eine Abtrennung als Unterart ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Die Einstufung einer Sippe bleibt in diesem Zusammenhang für meine Begriffe noch ungeklärt: Epipactis campeadorii P. Delforge wurde 1995 (S. 91) aus Nordspanien beschrieben und kommt in den selben Biotoptypen wie Epipactis bugacensis vor, sie steht aber häufig heller und trockener. Dies zeigt sich natürlich im Habitus. Insgesamt wirken die Pflanzen etwas robuster. Anfangs vereinigte Delforge ja beide Sippen (siehe oben) unter dem Namen Epipactis campeadorii. Nach den Fotos (ich habe die Sippe bisher noch nicht in Blüte gesehen) sind die Unterschiede jedoch absolut marginal. In den relevanten Bereichen zeigen die Blüten eine hohe Übereinstimmung.
In seinem aktuellen Führer ordnet Delforge (2005: 71 und 87) die beiden Sippen sogar in unterschiedliche Gruppen ein, „Epipactis rhodanensis“ in die „Groupe d’Epipactis helleborine“ und „Epipactis campeadorii“ in die „Groupe d’Epipactis leptochila“. So wird allerdings eine nahe Verwandtschaft oder gar Identität völlig verschleiert. Man muss schon eine besondere Form der „Mikrotaxonomie“ betreiben, um zu derartigen Einteilungen zu kommen. Wie schon oben erwähnt, sah er ja beide Sippen in Spanien im Jahr 2001 (S.92) noch als identisch an.
Kreutz (2004: 60) hingegen sieht auch jetzt noch die beiden Taxa Epipactis campeadorii und Epipactis hispanica in seinem Kompendium als identisch an. Er führt sie aber unter dem Namen Epipactis campeadorii, da er offenbar eine Identität mit Epipactis bugacensis bisher nicht sieht.
Die Spanier J. B. Ayuso und C. E. Hermosilla, wie auch J. A. A. Sáenz und J. A. A. Urarte ( Ayuso et al. 1999: 28) führen E. campeadorii als Varietät von E. hispanica, ordnen sie also ebenfalls ein und derselben Art unter: Epipactis hispanica var. viridis.
Baumann et al. (2006: 75) listen beide Namen kommentarlos unter Epipactis bugacensis subsp. rhodanensis auf. Es bleibt unklar, wie sie die Taxa hinsichtlich der Nomenklatur beurteilen.
3.3 Epipactis kleinii M.B. Crispo, M.R. Lowe & Piera
Die Sippe wurde erst 1971 von dem deutschen Ehepaar A. & C. Nieschalk als Unterart von Epipactis atrorubens, nämlich als subsp. parviflora beschrieben. Der österreichische Botaniker E. Klein erhob sie 1979 in den Artrang. Der von ihm vergebene Name Epipactis parviflora ist allerdings nach den Nomenklaturregeln illegal, deshalb wurde 2001 ein neuer Name zu Ehren des Herrn Klein vergeben. Kreutz (2004: 59) führt sie in seinem Kompendium wieder im Unterartrang als Epipactis atrorubens subsp. parviflora. Baumann et al. (2006: 74) schließen sich ihm an.
Meines Erachtens sind die Unterschiede von Epipactis kleinii zu Epipactis atrorubens aber durchaus groß genug für den Artrang: Der Habitus ist viel zierlicher, die Pflanze ist häufig deutlich kräftiger violett überlaufen und noch stärker behaart als Epipactis atrorubens, die Blüten sind kleiner und schwächer gefärbt, das Hypochil ist kugeliger, das Epichil meist gerade vorgestreckt, der Kallus meist ungegliedert. Zudem sind mir keine Übergänge, nicht einmal Bastarde, zwischen beiden Sippen bekannt, obwohl auch Epipactis atrorubens vereinzelt noch im Verbreitungsgebiet von Epipactis parviflora vorkommt, selten sogar in denselben Biotopen.
Vielmehr erinnert die Art an Epipactis subclausa aus Griechenland. Man kann völlig identische Pflanzen in beiden Gebieten finden, in der Regel ist aber das Hypochil von Epipactis subclausa etwas weniger kugelig und das Epichil noch etwas kleiner. Hier sollte man darüber nachdenken, beide Sippen als geographische Unterarten zu führen.
Verbreitet ist Epipactis kleinii in den Gebirgen Ost- und Mittelspaniens bis nach Nordspanien (Burgos) ab einer Höhe von 700 m ü.M. bis ca. 2000 m ü.M.. Frühere Meldungen aus dem französischen Bereich der Pyrenées Orientales wurden lange nicht mehr bestätigt. In der Serra de Cardò N Tortosa kann man die Art in niederen Lagen schon Ende Mai in Blüte neben noch austreibenden Exemplaren sehen. In späten Jahren blüht sie noch Anfang August ab 1700 m ü.M. E Teruel in Einzelexemplaren. In frühen Jahren ist sie dort aber schon Ende Juli auch auf 2000 m ü.M. verblüht.
3.4 Epipactis phyllanthes G.E. Smith
Die variable Sippe wurde bereits 1852 aus England beschrieben. Seitdem wurde eine ganze Anzahl von Populationen mit geringfügigen Abweichungen als neue Taxa beschrieben und teils wieder verworfen. Beispielsweise wurde von der Westküste Großbritanniens eine „Epipactis cambrensis“ beschrieben, die durch einen gedrungeren Wuchs mit weniger Blüten auffällt. Dies ist jedoch auf die mageren, unbeschatteten Biotope in Dünengebieten zurückzuführen.
Wie die überwiegend mitteleuropäische Epipactis leptochila ist auch die hauptsächlich atlantisch verbreitete Epipactis phyllanthes autogam. Theoretisch kann sich hierdurch fast jegliche Mutation fortpflanzen. Auf diese Weise entstehen leicht abweichende Pflanzen, die bei Fortpflanzungserfolg jedoch in der Population durch die Autogamie meist sehr einheitlich erscheinen. Die Bestäubung erfolgt in der Regel nicht in der Knospe, sondern erst im Verlauf der Anthese, sodass immer auch Einkreuzungen möglich sind. So entstanden im Lauf der Zeit die unterschiedlichen Ausprägungen, aber auch Übergangsformen zwischen den extremeren Formen. Will man nun „Mikrotaxonomie“ betreiben, könnte man jede geringfügig abweichende Form als eigene Art oder Unterart beschreiben, da sie sich in der Regel durch getrennte Biotope nicht mehr mit den Ausgangsformen kreuzen. Wie bereits erwähnt, ist dies teilweise auch geschehen, besonders in Großbritannien, wo die Art schon lange bekannt ist. Die meisten Orchideenkenner lehnen aber eine Benennung unterschiedlicher Ausprägungen ab, mit der Begründung, dass die Unterschiede minimal und nicht durchgängig vorhanden sind. Dieser Einschätzung schließe ich mich im Prinzip an, es ist jedoch nachvollziehbar, dass die extreme, leicht zu erkennende Variante „degenera“ mit ihrer wenig differenzierten Lippe (Atavismus) als Varietät bestehen bleibt. Ebenso ist der Unterschied zwischen Epipactis phyllanthes mit etwas verlängerten, nach der Blüte noch länger grün bleibenden Sepalen und Petalen und die zierlichere „confusa“ mit häufig kürzerem, schnell verwelkendem Perigon relativ deutlich sichtbar. Deshalb kann "confusa" durchaus als Varietät angesehen werden. Der Abtrennung einer südwestfranzösischen „var. olarionensis“ wegen der noch vorhandenen Rostelldrüse oder einer „var. pendula“ mit hängenden Blüten kann ich aber nicht folgen. Beispielsweise ist eine funktionslose Rostelldrüse auch in Dänemark zu finden (vgl. Presser 2000: 259, Abb. d). Delforge (2005: 115) führt neben den drei letztgenannten Varietäten sogar noch eine „var. vectensis“ als Zwischenform auf.
In Spanien ist Epipactis phyllanthes nicht selten. Man findet sie vor allem an Bach- und Flussläufen des Hochlandes zwischen 600 und 1000 m ü.M., seltener auch an der Atlantikküste. Sie scheint über die ganze Iberische Halbinsel verbreitet zu sein. Wenige Meldungen kommen aus Andalusien, Nordportugal und Nordwestspanien. Eine Vielzahl von Vorkommen gibt es aber zwischen Santander im Norden und Valencia im Osten. Die meisten Fundorte liegen in Bach- und Flusstälern auf leicht feuchtem Untergrund unter Weichgehölzen. Meist handelt es sich hierbei um Pappel-Anpflanzungen, die sporadisch beweidet werden. Die Sippe ist hier häufig vergesellschaftet mit Epipactis bugacensis und / oder Cephalanthera damasonium, seltener auch mit weiteren Epipactis- Arten, Ophrys apifera, Dactylorhiza elata oder Anacamptis pyramidalis. Daneben existieren auch höher gelegene Biotope an Bachrändern in Buchenwäldern, die einen typisch mitteleuropäischen Eindruck machen.
Viele Individuen sind habituell als kräftig zu bezeichnen, besonders aber Pflanzen aus dunklen Altbuchenbeständen zeigen einen zierlichen Habitus und gleichen so auf frappierende Weise der von Young (1953) abgetrennten Epipactis confusa. Dieses Taxon soll sich durch eine andere Blattrandstruktur (Anmerkungen hierzu im nächsten Kapitel) und ein schnell welkendes Perigon auszeichnen. Meist sind die Pflanzen auch deutlich zierlicher, Sepalen und Petalen etwas kürzer. A. Gévaudan sieht nach eigenen Angaben (2006 in litt.) ebenfalls keine Unterschiede. Auf Grund einer „Verbreitungslücke“ von Norddeutschland bis zur Schweiz geht er jedoch von zwei verschiedenen Arten (!) aus. Eine (im Übrigen kaum nachweisbare) Verbreitungslücke kann meines Erachtens allerdings niemals ein Kriterium sein, eine Art abzutrennen (Anmerkungen hierzu im nächsten Kapitel). Es ist auch ziemlich wahrscheinlich, dass sich die Lücke analog zu Epipactis bugacensis weiter schließen wird, wenn im Sommer in entsprechenden Biotopen ernsthaft nachgeforscht wird. Im Gegensatz zu Epipactis bugacensis sind die Pflanzen aber meist viel unscheinbarer. Die Lippe ist bei den spanischen Pflanzen nach meinem Wissen immer deutlich gegliedert. Häufig welkt das gesamte Perigon nach kurzer Zeit ab. An manchen Stellen (z.B. N Burgos) findet man allerdings im August auch noch verblühte Pflanzen mit intaktem Perigon (aber verwelkter Lippe), die zwischen solchen mit verwelkten Sepalen und Petalen stehen. Jeglicher Übergang scheint möglich. Dies ist auch im Norden des Verbreitungsgebietes von Epipactis phyllanthes zu beobachten, was die dänischen Orchideenspezialisten Faurholdt et al. (1998) dazu bewogen hat, die beiden Taxa phyllanthes und confusa wieder zusammen zu legen. Farbunterschiede der Lippe (vor allem des Hypochils) zwischen einzelnen Populationen existieren durchaus: Meist ist das Hypochil innen grün, besonders weiter im Norden kann es aber auch hellbraun gefärbt sein, was dann meist mit einer Rosafärbung des Epichils einhergeht. In Bestimmungsbüchern suggeriert häufig die Auswahl entsprechender Fotos fälschlich einen Unterschied zwischen phyllanthes und confusa.
Delforge (2005: 107) folgt der Zusammenlegung zu einer einzigen Art nicht, Kreutz (2004: 66) führt confusa im Unterartrang, Baumann et. al. (2006: 93) als Varietät.
Meiner Ansicht nach ist die Sippe als Art eindeutig zu hoch bewertet. Über eine Abtrennung als Unterart (analog zu Epipactis leptochila subsp. neglecta) könnte man nach dem oben erläuterten Artbegriff durchaus nachdenken. Man wird aber eine ganze Reihe von Pflanzen bzw. Populationen nicht eindeutig zuordnen können. Der Varietätsrang für die zierlichen Pflanzen mit welkendem, kurzem Perigon könnte ebenfalls in Betracht gezogen werden.
Zu allem Überfluss ordnet Delforge (2005) die fraglichen Taxa wieder in verschiedene Gruppen ein und verschleiert so eine nahe Verwandtschaft oder gar Identität: Epipactis phyllanthes und Epipactis fageticola sind in der „groupe d’Epipactis phyllanthes“ zu finden, Epipactis confusa aber in der „groupe d’Epipactis albensis“.
Die ersten Meldungen von spanischen Pflanzen dieser Ausprägung wurden erst 1998 veröffentlicht, als C. Hermosilla (Hermosilla & Sabando 1998) diese Sippe als Varietät von Epipactis phyllanthes beschrieb. Von Devillers & Devillers-Terschuren wurde sie umgehend (1999: 302) in den Artrang erhoben und danach aus der Schweiz dann noch einmal unter dem Namen Epipactis stellifera beschrieben (Di Antonio & Veya 2001). Die zuletzt genannten Autoren nahmen an, die Sippe sei endemisch in der Schweiz. Dieser Einschätzung wird aber offenbar bisher von keinem Autor gefolgt. Lediglich Delforge (2001a: ) bildete sie vorübergehend als eigene Art in seinem Führer ab, 2005 führt er sie aber schon als Synonym unter „Epipactis fageticola“.
Hermosilla führt nur geringfügige Unterschiede auf (Hermosilla & Sabando 1998: 130), die auch wohl größtenteils auf unterschiedliche Wuchsorte zurückzuführen sind: Pflanzen etwas niedriger, Blüten weniger hängend, etwas geöffnet und die Laubblätter gebogener und weiter voneinander entfernt. Pflanzen mit schnell welkendem Perigon trennt er nicht von solchen mit lange frisch bleibendem ab. Dieses Kriterium ist auch in den Populationen meist nicht durchgehend. Ich habe ein lange frisch bleibendes Perigon in Spanien bisher auch nur unter Pappeln und Weiden gefunden. Hermosilla (2000: 191) spricht ebenfalls von Pflanzen der Pappelplantagen, die solchen aus Buchenbeständen exakt gleichen und schließt völlig richtig daraus, dass es sich nur um eine einzige Spezies handeln kann. Der Umkombinierung zur Art von Devillers & Devillers-Terschuren widerspricht er ausdrücklich.
In der mehr als ausführlichen Arbeit (65 Seiten!) von Gévaudan et al. (2001: 52 – 53) wird indes der Eindruck erweckt, Epipactis phyllanthes käme im Süden des Verbreitungsgebiets (Portugal, Spanien und Frankreich) ausschließlich am Atlantik vor, und alle übrigen Meldungen bezögen sich auf „Epipactis fageticola“. Dem widersprechen jedoch schon oben genannte Vorkommen von Pflanzen mit lange frisch bleibenden Sepalen und Petalen weit von der Küste entfernt. Die Unterscheidungsmerkmale zu ihrer Auffassung von Epipactis phyllanthes, die sie anführen, sind zudem absolut marginal und nicht einmal auf ihren eigenen (recht zahlreichen und guten) Fotos zu erkennen.
Die Autoren geben für fageticola eine relativ frühe Blütezeit an, was für die meisten Gebiete zutreffen dürfte: „...fast zur selben Zeit wie Cephalanthera rubra oder Epipactis parviflora“. Interessanterweise blühen die Pflanzen gerade am Locus classicus von Epipactis phyllanthes var. fageticola, einer kühlen Bachschlucht im Buchenwald, bis weit in den August hinein, wie dies auch im nördlichen Verbreitungsgebiet festzustellen ist. Ein Blütezeitunterschied zwischen fageticola / confusa und phyllanthes in vergleichbaren Biotopen besteht nicht.
Abschließend bleibt also festzustellen, dass stämmige Pflanzen von Epipactis phyllanthes vor allem in Spanien und im Einflussbereich des Atlantiks über die britischen Inseln bis hinein nach NW-Deutschland vorkommen. Im Landesinneren von Frankreich und in der Schweiz überwiegen eindeutig wie in NO-Deutschland die zierlichen, grazilen Pflanzen. Ein spät welkendes Perigon ist in Spanien (zumindest N Burgos und an der Atlantikküste), nach Norden bis hinein nach Nordwest-Deutschland (Schleswig-Holstein) und Dänemark (bis Schweden?) und besonders auf den britischen Inseln zu finden. Eine Aufspaltung in verschiedene Arten der variablen Sippe bleibt unverständlich, einer Aufgliederung in verschiedene Varietäten ist nicht unbedingt zu widersprechen.
3.5 Epipactis leptochila (Godfery) Godfery
Im Jahr 2001 wurde ein Vorkommen von Epipactis provincialis aus dem mittleren Ostspanien gemeldet (Ayuso & Tabuenca 2001: 73). Die beiden spanischen Autoren veröffentlichten in dieser Arbeit zwei Fotos (dgl.: 70), die der aus der Provence bekannten Sippe auf den ersten Blick stark ähnelten. Allerdings schienen sowohl Laubblätter als auch Epichil etwas lang für dieses Epipactis leptochila nahestehende Taxon. Auch der Übergang zwischen Epichil und Hypochil erschien etwas zu stark gegliedert. Epipactis provincialis im Terra typica zeichnet sich tatsächlich durch eine relativ ungegliederte Lippe aus, die in extremer Ausprägung (eher selten) fast rund erscheint. Delforge (2005: 89) bildet ein solch extremes Exemplar ab. Bournérias (1998: 349) zeigt ein Foto einer deutlich weniger extrem ausgeprägten Blüte.
Die Intention von Delforge und Gévaudan ist es nun, die spanische Sippe gegen Epipactis provincialis abzugrenzen. In einer ausführlichen Arbeit (Delforge & Gévaudan 2004) gelingt dies auch relativ überzeugend. In der Tat sind die beiden nahe verwandten Sippen recht variabel. Extremexemplare ähneln sich sehr, scheinen jedoch nicht identisch zu sein.
Ein durchaus nachzuvollziehendes Argument ist die Phänologie: Die Autoren geben an, sowohl bei den spanischen als auch bei den französischen Pflanzen die früh blühende Epipactis tremolsii gefunden zu haben. Während die spanischen Pflanzen nach diesem Taxon blühen, beginnt die Blütezeit von Epipactis provincialis einige Zeit vor dieser Sippe. Auch Cephalanthera rubra fanden sie nahe den entsprechenden Pflanzen in beiden Gebieten. In Frankreich blüht das Rote Waldvögelein mit Epipactis provincialis etwa gleichzeitig auf, während es in Spanien schon verblüht ist, deutlich bevor die fraglichen Epipactis-Pflanzen aufblühen. Für französische Fundorte kann ich diese Beobachtungen bestätigen, an den besuchten Wuchsorten fand ich die beiden Arten zwar nicht, die Angaben sind aber durchaus glaubhaft.
Die Sippe wird in der Folge von den Autoren als Epipactis maestrazgona im Artrang (!) neu beschrieben.
Vom 30. 07. bis zum 02. 08. 2006 besuchte ich das Bergland zwischen Morella und Teruel um die „neue" Art zum ersten Mal in Augenschein zu nehmen. Ich hatte sie zuvor noch nicht gesehen. Zwar fand ich nur wenige blühende Exemplare (die meisten waren von Steinböcken verbissen, einige vertrocknet, wenige verblüht), die Sippe konnte aber trotzdem beurteilt werden. Das Ergebnis war enttäuschend, konnte ich doch nach der langen Reise keine wirklichen Unterschiede zu Epipactis leptochila feststellen. Für spätere Vergleiche mit anderen Sippen wurden aber, wie üblich, die Pflanzen reichlich fotografiert, teilweise bis zum Maßstab 3:1 (Säule, Stängel, Blütenstielchen).
Die Pflanzen standen, wie zu erwarten war, an den kühlsten Stellen im Gebiet. Es sind Bereiche, an denen sich Feuchtigkeit und Luftfeuchtigkeit in dieser sommerwarmen Gegend länger halten können: Am Grund einer Schlucht, in einer Mulde (Kaltluftsee), an einem Nordhang, der bei stärkerem Regen durch ablaufendes Wasser überspült wird (mit Ablagerung von Feinerde) und nördlich einer Felswand. An solchen Stellen hält sich auch der in dieser Gegend in vielen Wintern reichlich fallende Schnee über längere Zeit. Alle Fundorte waren großflächig von der Waldkiefer Pinus sylvestris überwachsen, die Wuchsorte liegen halbschattig bis schattig. Je nach Sonneneinstrahlung variierte der Habitus, was zumindest in diesem Jahr gut zu beobachten war. Andere Epipactis-Arten (zum Beispiel Epipactis cardina, Epipactis distans oder Epipactis kleinii) standen stets in der Nähe.
In der Arbeit von Delforge & Gévaudan (2004: 61) wird die spanische Sippe mittels einer knappen Tabelle nebenbei auch gegen Epipactis leptochila abgegrenzt. An dieser Stelle muss die Kritik ansetzen. Die beiden Autoren greifen sich eine Ausprägung der äußerst variablen Epipactis leptochila heraus und verallgemeinern Fakten, die im gesamten Verbreitungsgebiet nicht einheitlich, beziehungsweise gar nicht untersucht sind. So ziehen sie unter anderem mikroskopische Merkmale heran, die meiner Meinung nach sogar von Pflanze zu Pflanze je nach Mikroklima, sicherlich aber in verschiedenen Populationen variieren.
Beispielsweise halte ich die Behaarung des Stängels nicht für ein arttrennendes Merkmal. Nach eigenen Untersuchungen an Epipactis helleborine variiert Dichte und Farbe bei unterschiedlichen Standorten, sogar bei Pflanzen einer Population. Es ist doch bekannt, dass selbst die normalerweise dicht behaarte Epipactis microphylla auch mit kahlem Stängel vorkommen kann. Umgekehrt kann die normalerweise unbehaarte Epipactis phyllanthes (selten) auch behaart sein. Delforge (1997: 233) selbst gibt beispielsweise an, die Behaarung von Epipactis phyllanthes auf der Île d’Oleron variiere von Jahr zu Jahr und sei „manchmal dicht mit einer feinen, sehr kurzen weißlichen Behaarung bedeckt, die auch mit bloßem Auge sichtbar war“. Gévaudan et al. (2001: 56) finden an der selben Stelle unterschiedlich starke Behaarung bei großen und kleinen Pflanzen. Delforge ist an diesem Artikel ebenfalls beteiligt. Young (1953: 267) stellte hingegen fest, dass beschattete Pflanzen eine dichtere Behaarung der Rhachis zeigten als üblich.
Nebenbei bemerkt ist auch die Farbe des Blütenstielchens durchaus nicht immer geeignet, Pflanzen der einen oder anderen Art, beziehungsweise „Gruppe“ zuzuordnen. Zumindest einige Sippen können sowohl grüne als auch violette Blütenstielchen ausbilden: Epipactis helleborine, Epipactis tremolsii, Epipactis greuteri, Epipactis tallosii, Epipactis futakii, sowie Epipactis bugacensis allein in Ungarn (Wucherpfennig 2006 ex verb. und eigene Beobachtungen). Eine Gruppenzuordnung aufgrund dieses variablen Merkmals, wie sie Delforge betreibt, ist natürlich ebenso anfechtbar.
Reinhardt & Richter belegen in einem sehr ausführlichen Artikel die erhebliche Variationsbreite von Epipactis leptochila subsp. leptochila. Unter vielen anderen Fakten geben sie allein für den „Godferyschen Typ“ in England an, der Stängel sei „in der Regel hellgrün gefärbt, oft mit dichten, weißlichen Haaren bedeckt“ (2006: 79). Auch in der Folge betonen sie unter anderem immer wieder die Variabilität hinsichtlich Farbe der vegetativen Teile, sowie die große Variabilität der verschiedensten Blütenteile allein in einem eng begrenzeten Teil Deutschlands.
Delforge selbst (1997: 233) stellt unterschiedliche Blütengrößen, unterschiedliche Färbung und Unterschiede hinsichtlich des Viscidiums in verschiedenen Jahren in ein und derselben Epipactis-Population (Epipactis phyllanthes) fest!
Die Struktur des Blattrandes halte ich ebenfalls nicht für ein arttrennendes Merkmal, auch wenn tendenziell bei verschiedenen Arten unterschiedliche Ausprägungen gefunden werden können. Nach eigenen Untersuchungen kann der Blattrand nicht nur in verschiedenen Populationen und bei unterschiedlichem Mikroklima variieren, sondern sogar bei verschiedenen Blättern einer einzigen Pflanze. Auch fand ich in unterschiedlichen Populationen von Epipactis leptochila subsp. neglecta völlig verschiedene Strukturen. Der Zeichnung in Delforge (1997: 241) ähnelte jedoch keine. Ähnliches stellte ich bei Epipactis helleborine fest. Gévaudan et al. (2001 : 58) belegen diese Beobachtungen – wohl unabsichtlich – auch für Epipactis phyllanthes.
Einige der angeführten Unterscheidungsmerkmale von Epipactis leptochila und „Epipactis maestrazgona“ sind sogar schlichtweg nicht vorhanden oder gar falsch und treffen keinesfalls auf die Gesamtheit der Pflanzen, bestenfalls auf wenige Individuen, zu.
Im Folgenden werden die „Unterschiede“ in Form der übersetzten Tabelle nach Delforge & Gévaudan (2004: 61) dargestellt. In kursiver Schrift finden sich unter den einzelnen Angaben meine eigenen Beobachtungen (wenn abweichend), beziehungsweise die Kommentare nach persönlichen Untersuchungen und Überlegungen:
Epipactis leptochila
Epipactis maestrazgona
Allgemeine Färbung
bleich grün
sehr selten,
eher kräftig grün
frisch grün, beständig
eher gelblich grün, wuchsortbedingt
Stängel
ziemlich dick
je nach Standort
sehr dick
ziemlich dick
Stängelgruppen
nein, sehr selten
stellenweise häufig
sehr häufig [(1-)3-8]
ist auf häufigen Verbiss und lichten Standort zurückzuführen
Behaarung
Rachis (Elem./mm²)
Blütenstielchen
Ovarium
Blütenknospen
kein arttrennendes Merkmal, variabel
flaumhaarig (60-130, durchsichtig)
lückenhaft
fast nicht
keine
samtig (250-320, blaurot)
dicht
dicht
lückenhaft
Blätter:
Stellung
Länge x Breite
schlaff
variabel
ausgebreitet
5-11 x 2,5-5
sehr abhängig von Beschattung und Luftfeuchtigkeit
widerstandsfähig
fast aufgerichtet
lichter Wuchsort
4-8 x 1,5-3,4
wächst meist halbschattig,
im Sommer teils wenig Luftfeuchtigkeit
Blütenstielchen
Basis grünlich gelb
hell- bis dunkelgrün
dunkelgrün
gelb- bis dunkelgrün
Blüten
Allgemeine Färbung
Verbindung Hypochil/Epichil
-: Form
-: Schwielen
groß
wenig farbig
populationsabhängig sehr variabel,
es gibt sowohl stärker als auch weniger stark gefärbte als
in Spanien
ziemlich schmal bis schmal
ziemlich breit bei subsp. leptochila, V-förmig
sehr verlängert
wenig farbig
variabel, häufiger ebenso
intensives Amethyst
mittel
gleiche Größe, variabel
grün
gleiche Färbung wie die Mehrzahl der mitteleuropäischen E.leptochila
ziemlich breit
V-förmig
ein wenig länger als breit
sehr variabel, gelegentlich
ebenso sehr verlängert
Amethyst oft intensiv
Gynostemium: Anthere
gestielt und schmal
variabel, auch ungestielt
ohne Stiel, ziemlich breit
auch kurz gestielt
Standort
Höhe
frische, kalkige Buchenwälder
wärmeliebend, gern im Bereich von Pinus sylvestris in lichten Buchenwäldern
bis 1200 m
bis 1500 m (Delforge 2005: 90) 1550 m (Baumann et al. 2006: 85)
kalte Zonen in Kiefernwäldern mit Pinus sylvestris
durch lichten Bewuchs und wenig Luftbewegung sommerwarme Biotope
1400 – 1600 m
Wuchsort weiter südlich, also keine niedrigen Fundorte
Blütezeit
2 – 3 Wochen vor E. helleborine
1 – 2 Wochen vor E. helleborine
1 – 2 Wochen nach E. atrorubens
nach allen anderen Epipactis
an den Fundorten wächst keine spät blühende Art, also keine Vergleichsmöglichkeit
Wie die kursiv gedruckten Kommentare in der Tabelle zeigen, bleiben keinerlei arttrennende Merkmale übrig, die eine Neubeschreibung auch nur ansatzweise rechtfertigen würden. Auch den Status einer Unterart oder einer Varietät könnte ich nicht nachvollziehen. Statt dessen sollte die Art Epipactis leptochila subsp. leptochila in die Artenliste Spaniens aufgenommen werden: Die geringen morphologischen Unterschiede zu den Pflanzen Mitteleuropas sind sicherlich auf die extreme Lage am südwestlichen Ende des Verbreitungsgebiets mit den entsprechenden klimatischen Gegebenheiten zurückzuführen. Für eine Einkreuzung anderer Arten gibt es keinen Hinweis.
Eine Verbreitungslücke (die im Übrigen schwer nachzuweisen wäre) ist im Gegensatz zu Gévaudans Meinung (2006 in lit.) sicher kein Argument, eine neue Art zu schaffen. Man müsste sonst nicht nur Orchis spitzelii und Epipactis placentina in mehrere unterschiedliche Arten aufteilen. Zwischen den bekannten Wuchsorten befindet sich nun einmal größtenteils ungeeignetes, vom Menschen verändertes Gebiet.
Es besteht die Meinung, dass Epipactis leptochila s.str. ausschließlich im Buchenwald wachsen könne (Gévaudan 2006 in lit.). Nach eigenen Untersuchungen steht die Art in Mitteleuropa tatsächlich meistens unter Rotbuchen (Fagus sylvatica), gern aber auch direkt bei Kiefern (Pinus sylvestris). In Ausnahmefällen wächst sie sogar außerhalb des geschlossenen Waldes, etwas häufiger schon in reinen Fichtenbeständen (Picea abies). Auch Hertel & Riechelmann (2003: 13) geben Kiefern als Begleitpflanzen an. Sie beschreiben eine leicht abweichende Form aus Hainbuchenwäldern (Carpinus betulus) Kroatiens als neue Unterart (Epipactis leptochila subsp. dinarica). Die Rotbuche kommt an den beschriebenen Stellen offenbar gar nicht vor.
Baumann et al. (2006: 84) führen den Namen Epipactis maestrazgona als Synonym von Epipactis helleborine subsp. tremolsii, was sicherlich nicht korrekt ist. Den verwendeten Unterartrang von Epipactis tremolsii kann man meiner Meinung nach schon eher akzeptieren.
Kreutz (2004: 63) führt die Sippe in seinem Kompendium noch als Unterart von Epipactis leptochila, ist aber inzwischen ebenfalls der Meinung, dass selbst diese Rangstufe nicht gerechtfertigt ist (in lit. 2006). Er fand in England identische Ausprägungen von Epipactis leptochila.
Was die Blüten der spanischen Sippe betrifft, so findet man absolut gleich aussehende auch in der etwas älteren Literatur: In Buttler (1986: 29), in Reinhard et al. (1991: 113) und in Bournérias (1998: 343) befinden sich Blütenfotos von Epipactis leptochila aus der Schweiz und vom Niederrhein, die sich mit dem Blütenfoto in Delforge & Gévaudan (2004: 69) decken. Dieses findet man wieder in Delforge (2005: 88 links unten). Beim Vergleich kommt auch einem Epipactis-Kenner sicherlich nicht der Gedanke, dass es sich um unterschiedliche Sippen handeln könnte. Allein die Blüten von Epipactis leptochila subsp. leptochila s.l. variieren deutlich stärker in verschiedenen nahe beieinander liegenden mitteleuropäischen Biotopen als diese Fotos aus verschiedenen, weit auseinander liegenden Ländern.
Epipactis leptochila subsp. leptochila wächst in den Hochlagen Ostspaniens sehr isoliert und ist zudem mit ziemlicher Sicherheit sehr selten, auch wenn Vorkommen in weiteren Gebieten (zum Beispiel in der Serra Segura) durchaus möglich erscheinen. Außerdem ist sie hier vermutlich durch die gerade einsetzende Klimaänderung bedroht. Ein besonderer Schutzstatus mit entsprechenden Aktivitäten (Einzäunung vom Austrieb bis zur Samenreife, keine Auslichtung des umgebenden Waldes) wäre also dringend nötig, um sie dauerhaft für dieses Gebiet zu erhalten.
Fazit: Die Art „Epipactis maestrazgona“ gibt es nicht. Epipactis leptochila ist auch in Spanien anzutreffen.
3.6 Epipactis distans C. Arvet-Touvet
Das erste Mal wurde Epipactis distans aus Spanien im Jahr 2000 gemeldet (Ayuso & Tabuenca) 2000: 106). Auch C. E. Hermosilla (2001: 51) berichtete ausführlich über diese Art. Bereits am 30. 07. 2001 fand ich zufällig das erste Mal entsprechende Pflanzen im Bergland ENE Teruel in einem typischen Biotop (sehr licht stehende Jungkiefern) zwischen Mosqueruela und Cantavieja. Sie waren teils verblüht, teils waren an kräftigen Individuen noch wenige Blüten intakt. Schon vom Habitus her gab es für mich keinen Zweifel, dass es sich um Epipactis distans handeln musste, man konnte dies schon vom Auto aus erkennen. Die Untersuchung der Blüten bestätigte den ersten Eindruck, obwohl sie für die mir recht gut bekannte Sippe relativ farbig erschienen. Dies ist aber am Ende der Blütezeit eher typisch für viele Pflanzen dieser Art. Ich stellte das unter anderem im Jahr zuvor schon in den Südwestalpen am Col d’Izoard (Südseite von 2200 m ü.M. abwärts; Terra typica) fest. Hier zeigten sich die Pflanzen bei 2200 m ü.M. am 29.07.2000 teils noch knospig bis aufblühend, bei 1800 m ü.M. bereits überwiegend abblühend.
Über die noch vor wenigen Jahren recht umstrittene Sippe wurde in letzter Zeit häufiger berichtet. Einige Fakten möchte ich hier noch einmal in Erinnerung rufen. Inzwischen ist die Sippe bei den allermeisten Spezialisten anerkannt, die meisten vertreten auch den Artrang, den im Übrigen Hollingsworth et al. (2006) biochemisch untermauern.
Die Art ist, mit Ausnahme von Einzelpflanzen, mit einiger Übung eigentlich recht leicht anzusprechen. Sie ist nämlich im gesamten Verbreitungsgebiet auffallend wenig variabel.
· Der Stängel ist verhältnismäßig dick.
· Die Blätter sind relativ wenig zahlreich, meist sind es nur 3 – 5. Im Norden des Verbreitungsgebiets können kräftige Pflanzen als Ausgleich für die schwächere Sonneneinstrahlung bis zu 7 Blätter besitzen.
· Die Blätter sind recht klein. Bei sonnigem Wuchsort erreichen sie meist nicht den Ansatz des nächsthöheren Blattes. Halbschattig oder schattig (selten!) wachsende Pflanzen, sowie Jungpflanzen besitzen etwas längere, selten deutlich längere Blätter. Dies ist vor allem in niederschlagsreichen Jahren der Fall.
· Sterile Exemplare kommen äußerst selten vor: Im größten Teil des Verbreitungsgebietes, wo ich die Art an ungefähr 2000 Individuen studieren konnte, fand ich nur 3 sterile Triebe im Schatten.
· Sie bildet häufig Gruppen, was vor allem im Kernbereich (gesamter Alpenbereich und die Fränkische Schweiz in Nordbayern) auffällt, wo sie offenbar optimale Bedingungen vorfindet. Fünf Triebe und mehr sind hier keine Seltenheit; man hat schon um die 20 Sprosse beieinander gefunden. In Trockenjahren ist die Anzahl der Sprosse normalerweise geringer als in Jahren mit ausreichenden Niederschlägen. In den Außenbereichen des Verbreitungsgebiets werden die großen Gruppen immer seltener, zwei bis vier Stängel kann man aber auch dort häufig beieinander finden. Als Außenbereiche mit offenbar suboptimalen Bedingungen verstehe ich die deutsche und polnische Ostseeküste, Ostpolen, Schweden, Spanien, die Cevennen, Mittelitalien, Slowenien und Ostösterreich. Die östlichsten und nordwestlichen Gegenden des auffallend disjunkten Verbreitungsgebiets kenne ich noch nicht. Vermutlich sind einige Grenzen noch weiter nach außen zu verschieben.
· Die Blüten sind groß und weit geöffnet, sie sind stets weniger gefärbt als die von bunten Epipactis helleborine.
· Die breiten Petalen sind weiß bis blass rosa, seltener (vor allem in den Außenbereichen des Verbreitungsgebiets und zum Ende der Blütezeit etwas häufiger) kräftiger rosa gefärbt.
· Die Sepalen sind innen stets hellgrün (leicht rot gefärbt bei etwa 1% und bei den seltenen Hybriden mit anderen Arten), was sie von der viel häufiger bunten Epipactis helleborine unterscheidet. Auf der Außenseite sind die Sepalen häufig grün, oft aber auch mehr oder weniger rot überlaufen, vor allem am Ende der Blütezeit. Dies trifft auf alle bisher von mir in Hochblüte oder abblühend gesehenen Populationen zu. Häufiger trifft man die Färbung wieder in den Randbereichen des Verbreitungsgebiets an.
· Das Hypochil ist innen oft weniger dunkel gefärbt als bei Epipactis helleborine, also selten schwarzbraun.
· Das Epichil ist etwa so lang wie breit, also schmäler als bei Epipactis helleborine. Es ist meist weißlich mit einer dunklen (auch grünlichen) Mittelrippe. Seltener zeigen sich bräunlich gefärbte Kalli auf beiden Seiten der Rippe - sie könnten auf Einflüsse von anderen Arten hindeuten. Selten ist auch die Lippe teilweise (besonders an den Rändern des Epichils) oder ganz rosa überlaufen. Dies dürfte bei stärkerer Ausprägung ebenfalls auf Einflüsse anderer Arten oder auf Bastarde hindeuten.
· Der Durchgang zwischen Epichil und Hypochil ist schmäler als bei den allermeisten Epipactis helleborine.
Wie man sieht, gibt es zahlreiche Unterscheidungsmerkmale zu Epipactis helleborine, die aber einzeln bei manchen helleborine-Individuen auch auftreten können. Wichtig ist es also, mehrere Merkmale zu betrachten. Eine gewisse Variationsbreite muss man Epipactis distans natürlich zubilligen, zudem sind Bastarde immer denkbar, auch wenn sie insgesamt eher selten sind. Wie bereits erwähnt ist diese Art verglichen mit Epipactis helleborine insgesamt auffallend wenig variabel.
Delforge (2004: 164, 2005: 85) scheint der Art offenbar keinerlei Variabilität zuzugestehen. Nach seiner Meinung gehören lediglich die Pflanzen aus den Südwestalpen zu dieser Art. Die übrigen bezeichnet er als Epipactis helleborine subsp. orbicularis. Man muss klar sagen, dass diese Auffassung mit Sicherheit falsch ist. Viele Pflanzen in den meisten mir bekannten Populationen des Verbreitungsgebiets sind absolut identisch mit solchen aus den Südwestalpen!
Um seine These aber zu untermauern, zitiert er auch aus Arbeiten anderer Epipactis-Spezialisten (Dworschak & Wucherpfennig 1995, Wolf 1997, Weigelt & Riechelmann 2002) einige Aussagen schlichtweg falsch oder unvollständig (Delforge 2004: 154). Wucherpfennig (2006) stellt dies ausführlich dar. So entsteht beim Leser ohne Vergleich der Originalliteratur tatsächlich der Eindruck zweier verschiedener Sippen. (Dieser Eindruck ist wohl in der Regel erweckt worden, denn Delforges Arbeiten sind in französisch verfasst, die zitierte Literatur aber in deutsch.) Solch ein Vorgehen ist scharf zu verurteilen. Behauptungen wie „Die von bayerischen Pflanzen publizierten Illustrationen zeigen stets Blüten von E. distans mit roten oder purpurnen Petalen...“ („Les illustrations publiées pour les plantes bavaroises montrent toujours des fleurs d’E. distans aux pétales rouges ou pourpres... Delforge 2004: 155) sind zudem frei erfunden, wie ein Blick in die zitierte Literatur beweist (Wolf 1997: 110, Presser 2000: 205, Weigelt & Riechelmann 2002: 112). Wenn auch in der zuletzt genannten Arbeit, wie in manchen anderen Berichten, neben einer recht hellen auch eine farbige Blüte gezeigt wird, so geschah das sicherlich deshalb, weil die Autoren diese buntere Ausprägung als ansprechender ansahen und nicht ahnen konnten, dass leichte Farbunterschiede zur späteren Abtrennung einer Art dienen könnten. Nachdem Delforge (2004: 150) aber angibt, mehrfach „Epipactis distans s.l.-Standorte in Deutschland, Österreich und Italien“ besucht zu haben, hätte ihm sofort auffallen müssen, dass die überwiegende Mehrheit der Pflanzen exakt denen in den Südwest-Alpen entspricht, die er nach eigenen Angaben zur Blütezit bereits zehnmal besucht hat.
Schließlich betont er noch die „diagnostische Wichtigkeit bei den Farben der Blüten von E. distans und E. orbicularis“ (2004: 164). Das ist eine Aussage, der ich überhaupt nicht folgen kann. Auch in den Südwestalpen, beispielsweise südlich des Col d’Izoard, kann man Einzelpflanzen mit bunteren Blüten finden. Dies kann vor allem bei sehr warm und sonnig stehenden Individuen der Fall sein; besonders zeigt sich die Farbe nach der Hochblüte. Wucherpfennig (2006: 666) bildet solche Exemplare aus dem Terra typica ab.
Genauso verwunderlich ist es, dass Delforge für Epipactis distans aus den Südwest-Alpen eine Vorliebe für feuchten, ja sogar durchnässten Boden angibt (Delforge 2004: 153). Er verwendet diese Aussage zur Abgrenzung der in dieser Arbeit neu beschriebenen Epipactis molochina (2004: 171). Feuchten Untergrund habe ich bei drei Besuchen der Art im Terra typica nirgends feststellen können, was sich mit den Untersuchungen von Chas & Tyteca (1992) deckt, die von Delforge (2004: 151) sogar zitiert werden. Auch Wucherpfennig (2006: 645) konnte derartiges nicht finden. Epipactis distans ist nach meinen Erkenntnissen durchaus trockenheitsliebend, was den Untergrund betrifft. Dies konnte ich an allen bisher besuchten Fundorten (> 40) feststellen. Offenbar meidet sie aber Gebiete, in denen Niederschläge in der Zeit des Austriebs und des Emporwachsens selten sind.
Delforge (2004: 153, 156) berichtet auch von einem Fundort der Art auf einem Pionierstandort mit sauren Sänden in der Vaucluse, den er als „atypisch“ bezeichnet. Eine Pflanze dieser Population wurde demnach molekularbiologisch untersucht und zu seiner Überraschung eindeutig als Epipactis distans s. str. identifiziert. Für andere Fundorte lässt er diesen Biotoptyp aber nicht gelten, sondern verwendet diesbezügliche Meldungen sogar als Unterscheidungsmerkmal (2004: 156, 162).
Schließlich benutzt er auch zitierte Blütezeiten als Merkmal zur Unterscheidung, wobei er sich wieder nur die scheinbar passenden, seine These unterstützenden, herausgreift (2004: 159, 162). Die Pflanzen der Südwestalpen, die in hohen Lagen selbst in frühen Jahren bis in den August hinein blühen, ignoriert er.
Seiner Meinung nach ist Epipactis distans eine Gebirgspflanze. Der von ihm erwähnte „atypische Fundort“ in der Vaucluse liegt aber nur auf 240 m ü.M.. Man muss sicherlich neben der Meereshöhe auch das herrschende Kleinklima betrachten und das kann in Tälern durch Kaltluftstau erheblich rauer sein als beispielsweise 500 m höher an einem Südhang.
Auch der Breitengrad spielt logischerweise eine erhebliche Rolle: Epipactis distans kommt im sehr südlich liegenden Spanien etwa um 1700 m ü.M. vor. Dies gilt auch für die klimatisch bevorzugten Südwestalpen (bis 2200 m ü.M.). In den Nordalpen findet man sie normalerweise in deutlich tieferen Lagen (Optimum etwa bei 1000 m ü.M.). Weiter im Norden, in der Fränkischen Schweiz, kommen die allermeisten Pflanzen dieser Spezies zwischen 500 und 600 m ü.M. vor. Noch weiter nördlich, an der Ostsee, findet man die Art in teils reichen Beständen bereits auf Meereshöhe. Hier blüht sie durch die lange kühl bleibende Ostsee ziemlich spät (wie übrigens auch die im selben Biotop wachsende, meist kurz vorher aufblühende Epipactis atrorubens), in manchen Jahren erst ab Mitte oder gar Ende Juli. Auch Anfang August kann man in feuchteren, kühleren Jahren noch einzelne aufblühende Individuen finden (analog dazu Epipactis atrorubens!). Kommt in der Nähe Epipactis helleborine in schattigen Bereichen auf frischeren Böden vor, ist diese dann noch in Knospe. Wahrscheinlich hängt dieses Blühverhalten damit zusammen, dass die Tage zu Beginn der Vegetationsperiode so weit im Norden verglichen mit südlichen Lagen kurz sind und die wärmende Sonne noch recht flach steht. Dies scheint alle Epipactis-Arten anfangs etwas zu hemmen.
Delforge (2004) beschreibt nun in seiner sehr ausführlichen und geschickt formulierten Arbeit extreme Ausprägungen in Spanien als Epipactis molochina neu im Artrang (!), verallgemeinert seine Beobachtungen leider und verwendet dazu entsprechende Fotos. Dass auch reichlich absolut typische Pflanzen in den Biotopen wachsen, verschweigt er konsequent, ebenso wie das Vorkommen von bunten Exemplaren in den Südwest-Alpen. Er (2004: 184 - 185, 2005: 70 und 85) bildet für die beiden Taxa Epipactis distans und „Epipactis molochina“ überwiegend extreme Ausbildungen ab, die seine These zu stützen scheinen. Zu allem Überfluss ordnet er sie in seinem Führer (2005) verschiedenen „Gruppen“ zu, eine Vorgehensweise, die er häufiger praktiziert (vergleiche Hertel & Presser 2006). Epipactis distans aus den Südwest-Alpen ordnet er unverständlicherweise in der „Gruppe von Epipactis purpurata“ ein, die übrigen Pflanzen bringt er in der „Gruppe von Epipactis helleborine“ unter. So wird die für meine Begriffe auf der Hand liegende Identität zusätzlich verschleiert.
Eine Tatsache muss man allerdings zugestehen: Im spanischen Teil des Verbreitungsgebiets kommen durchaus Pflanzen mit bunter gefärbten Blüten (einschließlich der Blütenstielchen und vegetativen Teile) vor als in den Südwest-Alpen. Sie scheinen von der sehr stark gefärbten Epipactis cardina beeinflusst zu sein, die ja in den Südwest-Alpen fehlt. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass Delforge für manche seiner Belegfotos sogar Bastarde der F1-Generation zwischen beiden Arten ausgewählt hat. Solch extreme Ausprägungen sah ich bisher in Spanien nicht.
Blaich (2006) sieht dies ebenso und zeigt auf seiner sehr sehenswerten Homepage helle Blüten von Teruel. Auf seinem Habitus-Foto ist das unterste Blatt vertrocknet, deshalb wirkt die Pflanze untypisch hochbeinig. Er zeigt auch Bilder aus verschiedenen anderen Bereichen des Verbreitungsgebiets.
Auch von den anderen besprochenen Arten hat er Beispiele aus Spanien auf seiner Seite.
Fazit: Die Verbreitung von Epipactis distans erstreckt sich durchaus auch auf Spanien, ein Teil der Pflanzen zeigt eine kräftigere Färbung als in der Terra typica. Die Art „Epipactis molochina“ gibt es nicht.
4. Danksagung
Zu großem Dank verpflichtet bin ich den Herrn Benito Ayuso (Logrono, E) und Günther Blaich (Heidelberg) für wichtige Fundortangaben. Ohne sie hätte ich die ersten Populationen verschiedener Arten nur mit viel mehr Aufwand finden können. Von Herrn Ayuso erhielt ich zudem wichtige Literatur. Besonderer Dank gebührt wieder Herrn Stefan Hertel (Haag), sowie Herrn Hans-Ulrich Dickmann (Eichstätt) für die undankbare Aufgabe des Korrekturlesens. Für die Korrektur der englischen Zusammenfassung danke ich Frau Gisela Advani, Bangalore/Indien. Herr Alain Gévaudan (Villeurbanne, F) führte mit mir freundlicherweise eine sehr ausführliche Diskussion per E-mail, wofür ich ihm ganz besonders herzlich danke.
5. Literatur
Ayuso, J. B. & C. Hermosilla (1998): Dos nuevas Especies ibéricas, Epipactis cardina y Epipactis hispanica, más alguno de sus híbridos: Epipactis x conquesensis (E. cardina x E. parviflora), y Epipactis x populetorum (E. helleborine x E. hispanica). - Est. Mus. Cienc. Nat. de Álava 13: 103 – 115.
Ayuso, J. B., Sáenz , J. A. A. & J. A. A. Urarte (1999): Aproximación al Catálogo de las Orquídeas de la Rioja (Espana). - Est. Mus. Cienc. Nat. de Álava 14: 19 – 64.
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Anschrift des Autors
Muchísimas gracias por este espléndido trabajo.